Die farbigen Kunststoffpellets des Wiener Großkonzerns Borealis wurden aus Haushaltsmüll recycelt.

Foto: Borealis / Benedikt Frings-Ness

Wien – Bei Plastikabfall denken viele Menschen eher an schwimmende Müllinseln im Ozean. Für Alfred Stern ist er jedoch ein potenziell wertvoller Rohstoff, wie der Vorstand für Kunststoff und Innovation des in Wien beheimateten Plastikherstellers Borealis im Gespräch mit dem STANDARD erklärt.

Denn Plastik ist nicht gleich Plastik (ein Wort, das dem zweifachen Vater kaum über die Lippen kommt, er spricht konkret von Polyolefinen). Rund ein Viertel der landesweit etwa 2000 Borealis-Mitarbeiter tüftelt im Innovation Headquarter in Linz an neuen und besseren Einsatzmöglichkeiten von Kunststoff. Die Palette reicht von Autokarosserien, etwa beim Smart, bis zum Kaffeebecher. Kein anderes Unternehmen generiert österreichweit mehr Patente. Einige Anwendungen tragen zumindest indirekt zu mehr Nachhaltigkeit bei.

Alfred Stern ist für Kunststoffe und Innovation beim österreichischen Großkonzern Borealis zuständig.
Foto: Borealis

Stolz legt Stern einen faustdicken Querschnitt eines Stromkabels auf den Schreibtisch. Die Ummantelung des Kupferdrahts wurde speziell entwickelt, um hohe Spannungen bei Gleichstrom auszuhalten. Notwendig ist das, um die Energie von großen Windparks, die etwa zwanzig Kilometer vor der Küste wirbeln, möglichst effizient zum Verbraucher zu transportieren.

Hoher Erdölverbrauch

Energie und Rohstoffe einzusparen ist für den weltweit in 120 Ländern vertretenen Konzern nicht uneigennützig. Sie stellen auch den größten Kostenfaktor dar. Allein am Standort Schwechat produziert Borealis eine Millionen Tonnen Kunststoff aus den Resten der Kraftstoffproduktion der benachbarten Raffinerien. Im Werk des Joint Ventures Borouge in den Vereinigten Arabischen Emiraten, der Heimat des Mehrheitseigentümers (die OMV hält den Rest), werden 4,5 Millionen Tonnen Kunststoff produziert, vorwiegend für den asiatischen Markt.

Mit dem niedrigen Ölpreis sei die Produktion in den vergangenen Jahren noch gestiegen, sagt der 52-Jährige.

Recycling als Chance

"In Europa fehlt uns der Rohstoffreichtum, dafür gibt es hier das technische Know-how, Kunststoff zu recyclen", erklärt Stern. "Wir sehen die Kreislaufwirtschaft daher als große Chance."

Über eine deutsche Tochterfirma kauft Borealis tonnenweise Haushaltsmüll, um Altplastik auszusortieren und zu recyclen. Daraus enstehen farblich sortierte Pellets, die etwa zu Filzstiften verarbeitet werden.

Leider fehle die politische Unterstützung. Was bei Glas und Papier selbstverständlich sei, wäre auch bei Plastik denkbar. In Kalifornien etwa gebe es bereits gesetzliche Mindestanteile für recycelten Kunststoff. Das Material eignet sich besonders für die Wiederaufbereitung", so Stern. "Bei uns im Labor können wir Stoffe zwanzigmal im Kreis laufen lassen, ohne dass sie ihre Eigenschaften verlieren."

Elite-Uni fehlt

Der Standort Österreich hat für Borealis einige Vorteile. Vor allem die gut ausgebildeten Fachkräfte, betont Stern. Die hohe Lebensqualität ist für internationale Mitarbeiter ein Plus.

Bei den Hochschulen gebe es jedoch Nachholbedarf. Vergleichbare Länder wie die Schweiz und die Niederlande haben Unis in der Top-Liga. Aus der Schweiz jemanden herzulocken sei unmöglich. Das hohe Abgabenniveau in Österreich erschwert es internationalen Top-Technikern, ein attraktives Angebot zu machen, bedauert Stern. (Leopold Stefan, 3.12.2017)