Bild nicht mehr verfügbar.

Dieser Roboter steht zwar für ein Selfie zur Verfügung, Rechtsgeschäfte wird er im Alleingang nicht so bald übernehmen können.

Foto: Reuters/MIKE BLAKE

Bertram Burtscher, Partner bei Freshfields Bruckhaus Deringer in Wien: "Trainiert werden müssen die Computer von schlauen Juristen. Das Schwierigste dabei ist nicht die Technologie und nicht das juristische Können, sondern die Schnittstelle zwischen den beiden."

Foto: Freshfields / Walter J. Sieberer

Wien – Der Computer mit künstlicher Intelligenz (AI) wird den Anwalt nicht so schnell verdrängen. Aber wie rasch die Digitalisierung das Rechtsgeschäft verändert, wurde bei einer bis auf den letzten Platz gefüllten Legal-Tech-Konferenz vergangene Woche in Wien offensichtlich. Überall dort, wo es um ähnlich gelagerte Streitfälle oder große Mengen von Daten und Dokumenten geht, können Kanzleien ohne technische Hilfe gar nicht mehr wettbewerbsfähig sein.

Bertram Burtscher, Partner bei Freshfields Bruckhaus Deringer in Wien, beschrieb auf der Konferenz, wie die großen internationalen Wirtschaftssozietäten die Digitalisierung nutzen. So können bei der für M&A-Transaktionen notwendigen Due Diligence AI-Programme wie Kira Unmengen von Texten nicht nur nach Stichwörtern, sondern auch nach inhaltlichen Zusammenhängen durchsuchen, die ganz verschieden ausgedrückt werden können.

"Wir trainieren die Maschine etwa auf ein Thema wie Exklusivität", erzählt Burtscher. "Sie erkennt dann auch, wenn eine Klausel auftritt, die nicht das Wort Exklusivität enthält, aber in der es etwa heißt: 'Du darfst das nur an diesen oder jenen weitergeben.'"

Effizienz und Zeitgewinn

Bei Massenverfahren kann etwa eine solche Software zehntausende ähnliche Klagsschriften elektronisch auswerten und spezifische Antwortblöcke erarbeiten. Aber Computer schaffen das nicht allein. "Trainiert werden müssen sie von schlauen Juristen", sagt Burtscher. "Das erfordert von diesen eine völlig neue Arbeitsweise. Das Schwierigste dabei ist nicht die Technologie und nicht das juristische Können, sondern die Schnittstelle zwischen den beiden."

Bei Freshfields ist die Technik in einem Computerzentrum in Manchester konzentriert, in Wien sind 13 Juristen mit Informatikerfahrung im Legal-Tech-Bereich tätig und programmieren die notwendigen Algorithmen. Dieses Personal zu finden ist schwierig, sagt Burtscher. "Wir finden genug Juristen und Techniker, aber zu wenige, die beides können."

Bei Rechtsberatung unter Technologieeinsatz steht meist nicht die Kosteneinsparung im Vordergrund, sondern die Effizienz und der Zeitgewinn, betont er. "Durch Legal Tech können wir heute Jobs erledigen, die vorher nicht machbar waren – wegen des Zeitdrucks, der Masse und der Komplexität." Das juristische Urteilsvermögen aber werde weiterhin benötigt und auch entsprechend honoriert werden.

Kleine Summen einklagen

Aber auch Verbraucher profitieren von diesen neuen Möglichkeiten, sagt die Wiener Juristin Sophie Martinetz, die die Konferenz organisiert hat. Sie erleichterten den Zugang zum Recht, weil heute dank IT-unterstützter Rechtsdienstleister kleine Summen eingeklagt werden können – so etwa Schadenersatzforderungen bei Fluggastverspätungen oder Verkehrsstrafen aufgrund defekter Radarfallen.

"Causen zwischen 25 und 1000 Euro sind früher liegengeblieben, heute können sie von Anwälten bearbeitet werden", sagt Martinetz. "Für den Konsumenten ist das auf jeden Fall gut, und es nimmt den Anwälten nichts weg." (Eric Frey, 4.12.2017)