Hermann Glettler, der neue Bischof der Diözese Innsbruck, mit seinem ungewöhnlichen Bischofsstab.

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Es war vieles ungewöhnlich bei der Weihe von Hermann Glettler zum neuen Bischof von Innsbruck am Samstag. Der Ort des Geschehens etwa: nicht der Dom, sondern ein Veranstaltungszentrum, in dem möglichste viele der diversen Freundeskreise Platz finden konnten. Der Steirer, der in Graz lange für eine außergewöhnlich offene Multikulti-Pfarre zuständig war, lud in die Olympiahalle. Geweiht wurde Glettler, der sich als Wahlspruch "Euntes curate et praedicate – Geht, heilt und verkündet" (Mt. 10,7f) ausgesucht hat, unter anderem von zwei weiteren Steirern: dem Salzburger Erzbischof Franz Lackner und dem steirischen Bischof Wilhelm Krautwaschl.

Afrikanische Tänze

Ungewöhnlich waren für die Tiroler wohl auch die traditionellen Tanzeinlagen afrikanischer Frauen – in Glettlers ehemaliger Kirche wurden, neben den Messen in deutscher Sprache, auch immer englische Messen für die afrikanische Community der Stadt gefeiert. Zu Beginn unter skeptischer Beobachtung mancher eingeborener Österreicher. Glettler zeigte immer Haltung, wenn es um Fragen der Migration ging, und engagierte sich in seinem Viertel rund um die St.-Andrä-Kirche im Stadtbezirk Lend stark für Integration.

Vor allem der Bischofsstab ließ aber am Samstag einige Gläubige einen zweiten Blick riskieren. Glitzernd, voller Löcher, mit einer Art Discokugel und einer Pfeffermühle bestückt, ist der Hirtenstab, auf den sich der 52-Jährige künftig stützen will, doch außergewöhnlich.

Kenner wussten sofort, welcher der vielen Künstlerfreunde Glettlers, der selbst als Künstler tätig war, da Hand angelegt hatte: Gustav Troger, den man optisch eher der Country- oder Hardrock-Szene als der sakralen Kunst zuordnen würde, ist für Glettlers Bischofsstab verantwortlich. Zuvor hatte er schon einen Altar für die barocke St.-Andrä-Kirche geschaffen und eine Säule verspiegelt. Die Kirche St. Andrä war – und bleibt – auch sonst voll von Arbeiten zeitgenössischer Künstler wie Otto Zitko, Markus Wilfling, Johanna Kandl, Michael Gumhold, ILA, Veronika Dreier, Manfred Erjautz und Michael Kienzer.

Der zerlegte Stab nach der Bearbeitung durch Gustav Troger.
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Genau genommen hat der 1951 geborene Künstler, der in der Steiermark und Los Angeles arbeitet, Upcycling betrieben: "Der Hermann hat mir einen gebrauchten Stab eines Vorgängers gebracht. Ich habe nicht gewusst, dass man die Dinger zerlegen kann. Er kam wie mit so einem James-Bond-Koffer daher", erzählt Troger dem STANDARD.

Gustav Troger wird von Beamten vor der Olympiahalle angehalten.
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Die Zustellung des glitzernden Hirtenstabs sorgte am Samstag dann auch für Interesse bei der Polizei. Beamte, die das Areal um die Olympiahalle bewachten, hielten den Künstler mit dem verdächtigen Koffer prompt auf.

Der Stab wird inspiziert.
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Nach kurzer Begutachtung ließen sie sich aber schnell überzeugen, dass Troger nichts Böses im Schilde führte und der Inhalt des Koffers dringend in der Halle gebraucht wurde. Auch das Kreuz, das Glettler künftig tragen wird, ist übrigens ein altes, von Troger veredeltes.

Er und Glettler hätten schon über einen Bischofsstab gesprochen, als Glettler als Bischof für die Steiermark im Gespräch war, also bevor Krautwaschl designiert wurde. "Damals hat er gesagt, wenn er Bischof wird, will er einen verspiegelten Stab", so Troger. In diesem Bischofsstab vereinigte Troger, dessen Abeiten unter anderem im Besitz von Museen und Sammlungen in Wien, Graz, Linz und San Francisco sind, aber nun mehrere seiner eigenen Werkphasen: Eine Zeitlang arbeitete Troger viel mit Stahl und Löchern, auch der Stab wurde angebohrt, für den Bischof ist es eine Metapher für nicht perfekte Biografien, für jene, die es nicht immer leicht im Leben hatten und für die er da sein will.

Als Spiegelmann im Arcade-Fire-Video

Troger, der Anfang der 1990er-Jahre auch das Pseudonym Clarence Anglin (nach einem berühmten Ausbrecher aus dem Gefängnis von Alcatraz) verwendete, ist auch für seine Verspiegelungen bekannt. Nicht nur Altäre und Säulen verspiegelte er mit tausenden kleinen Spiegelsplittern, Troger entwarf auch einen Ganzkörperanzug samt Hut aus Spiegeln, mit dem er immer wieder performte. Darauf wurde man auch in Kanada aufmerksam: Regisseur Vincent Morisset engagierte Troger 2013 unter Geheimhaltung als geheimnisvollen Spiegelmann für das Video zum Song "Reflektor" der kanadischen Band Arcade Fire.

Die Methode der Verspiegelung wandte er nun auch am Gelenk des Bischofsstabs an. "Und dann habe ich noch eine Pfeffermühle eingebaut", erzählt Troger. Eine Pfeffermühle? "Ja, weil der Hermann wird auch Pfeffer brauchen."

Wie kam der Mann, der den neugeweihten Bischof einen "Herzensfreund" nennt, eigentlich zur Kirchenkunst? "Das war 1984, da wurde im Steirischen Herbst von fünf Kuratoren Kunst für Kirchen gesucht", erinnert sich Troger, der heute bereits Werke in mehr als zehn Kirchen, davon einige Altäre, stehen hat.

Beitrag über die Weihe in der Spät-"ZiB" am Samstag.
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Ob er selbst ein gläubiger Mensch sei? "Ich komme aus einem sozialdemokratischen Haushalt, mein Vater hat noch 1934 im Bürgerkrieg gekämpft, der hat mich natürlich nicht in die Kirche geschickt. Nach all den Jahren habe ich aber ein ganz unbedarftes Verhältnis zur Kirche und zur Religion." Zur Kunst sei er allerdings durch ein "dramatisches Erlebnis" gekommen. "Ich wollte Rennfahrer werden, aber dann starb mein Bruder bei einem Autounfall, danach habe ich angefangen, Kunst zu machen, das war wie Therapie für mich", sagt Troger.

Stahlbau

Trogers Religion sei für den neuen Bischof, zu dem er "ein fast brüderliches Verhältnis" habe, selten ein Thema gewesen. "Aber wenn wir zusammen etwas montiert haben, da ist er auch überall raufgeklettert, da war er sich nie zu schade, hatte nie Angst, er hätte auch im Stahlbau arbeiten können", sagt Troger voller Anerkennung. (Colette M. Schmidt, 3.12.2017)