Marc Girardelli über Hirscher: "Ich traue ihm sehr viel zu. Er ist ja nicht einmal 30 Jahre alt. Er kann noch mehrere große Kugeln anschleppen."

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Der Salzburger attackierte und es funktionierte.

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Beaver Creek – Schief ist an diesem Tag nur der Heimflug gegangen. Dass Marcel Hirscher nach seinem großen Comeback-Sieg einen Tag in Colorado anhängte, lag nicht daran, dass er sich vom Land seines Triumphes nicht trennen wollte. Flugprobleme sorgten dafür, dass er seinen denkwürdigen, 46. Weltcupsieg Sonntagabend in Denver feiern musste.

Dennoch schwebte der Salzburger 108 Tage nach seinem Knöchelbruch in einer Vollmondnacht auf Wolke sieben. So rasch nach einem Knöchelbruch gleich das zweite Rennen nach der Verletzung zu gewinnen, ist mindestens so bemerkenswert wie das, was einen Tag davor Aksel Lund Svindal oder Cornelia Hütter in Lake Louise gelungen war. "So unerwartet wie dieser Sieg war davor noch keiner", gab Hirscher zu. Es sei sicher einer seiner größten Karriere-Siege gewesen, sagte der sechsfache Weltmeister und Weltcup-Gesamtsieger.

Marc Girardelli zieht den Hut

"Es ist beeindruckend, dass er trotz der Verletzung und kurzen Vorbereitungszeit gleich wieder die oberste Stufe im Riesentorlauf erklommen hat. Es ist wirklich ein Weltwunder, was Marcel in den letzten Jahren und vor allem am Sonntag in Beaver Creek geboten hat", verbeugte sich auch Marc Girardelli, dessen Siegmarke Hirscher nun erreicht hat. Für den Vorarlberger steht fest, dass der 28-jährige Salzburger sogar noch mehrere Kristallkugeln erobern wird. Die siebente gleich in der laufenden Saison. "Ich traue ihm sehr viel zu. Er ist ja nicht einmal 30 Jahre alt. Er kann noch mehrere große Kugeln anschleppen. Die Konkurrenz ist noch nicht so gut, dass sie über vier Monate der Kampfkraft eines Marcel Hirscher Paroli bieten kann."

Hirscher hat nicht nur Girardelli eingeholt, sondern mit 23 auch den in der Riesentorlauf-Bestenliste auf Platz drei liegenden Michael von Grünigen. Nächster vor ihm ist Ted Ligety mit 24.

Während der Amerikaner am Sonntag nur Siebenter wurde, setzte Hirscher auf fast 3.000 Metern mit brennenden Lungen und Oberschenkel ("Bei dieser Höhenlage stirbst du fast, das sind wir Europäer nicht gewohnt") auch eine Beaver-Serie fort. Inklusive WM 2015 haben in den vergangenen neun Riesenslaloms hier nur er (3) oder Ligety (6) gewonnen. Von den jüngsten 45 Riesenslaloms sind nur vier nicht an Hirscher (18), Ligety (14) oder Alexis Pinturault (9) gegangen.

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"Vier Monate verletzt zu sein, war neu für uns alle", erklärte Österreichs Ski-Superstar seine schwierige Situation nach dem Knöchelbruch im August. Er müsse sich aber auch bei den Teamkollegen bedanken. "Sie haben mir jeden Tag in den Hintern getreten. So konnte ich mich jeden Tag bei jedem Schwung verbessern. Aber dann gleich hier in Beaver auch zu gewinnen, das ist wieder etwas ganz anderes."

Neues Material für Finallauf

Hirscher setzte in der Entscheidung auf einen völlig neuen Ski, den er zuvor nur beim freien Fahren testete. "Ich bin vollstes Risiko gegangen", sagte er. "Das hätte auch kräftig nach hinten los gehen können." Die Verletzung habe den Stress zum Saisonstart natürlich verringert. "Aber nur, solange ich mit Gips auf der Couch gelegen bin. Seit dem ersten Tag ohne Gips und Krücken war der Druck sofort wieder da. Und jetzt, wenn ich da sitze als Sieger, kann ich sagen, es ist schon wieder alles wie immer. Speziell für die Medien."

Wegen der Sölden-Absage hat Hirscher in der noch jungen Olympia-Saison nicht viel versäumt. Ob deshalb nun sein siebenter Gesamtsieg doch möglich und auch sein Ziel sei, beantwortete Hirscher so: "Ich bin hier am Podest. Also ist es sicher möglich. Aber nur mathematisch. Die Chancen sind nicht die besten, aber ich werde wie immer in jedem Rennen das beste Ergebnis anstreben."

Der neben Hirscher sitzende Henrik Kristoffersen hatte die Lacher auf seiner Seite, als er sich einmischte und sagte: "Ich beantworte die Fragen für ihn einfach mit Ja und Ja." Der Norweger hatte auch keine Scheu zu sagen: "Marcel ist der Beste der Welt."

"Er ist einfach ein Rennpferd"

Hirschers Rennchef Christian Höflehner reagierte erleichtert und begeistert. "Er ist einfach ein Rennpferd. Unglaublich für das, wo er hergekommen ist", beschrieb Höflehner der Herausforderung durch die neuen RTL-Ski mit verringertem Radius. "Die Läufer haben über Jahre eingetrichtert bekommen, rund zu fahren. Marcel musste nun in kürzester Zeit lernen, wieder gerade auf die Tore zuzufahren und dann kurzen Druck zu machen."

Höflehner hatte schon vermutet, dass Hirscher kein Rückfall wie in Levi droht. "Sein erster Lauf war ja gerade mal solide. Er hat Faivres Probleme gesehen, das hat ihm ein bissl die Schneid abgekauft. Und dann haben wir eben in die Trickkiste gegriffen."

Hirschers Individualcoach Michael Pircher strahlte und meinte: "Für Marcel ist das ein besonderer Sieg, weil er echt eine schwere Zeit hinter sich hat. Wir hatten nach dem jüngsten Training zwar Hoffnung, weil die Formkurve steil bergauf ging. Dass er aber gleich wie eine Bombe einschlägt, hätten wir nicht erwartet." (APA, 4.12.2017)