Seit Jahrhunderten versuchen auch Wissenschafter herauszufinden, was da am Himmel über dem Stall von Betlehem erschienen ist. Doch abseits der Bibel gibt es keine Aufzeichnungen darüber.

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"Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen. (…) Und der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen."

So steht es im Evangelium nach Matthäus (2,1–9) geschrieben. und so kann man es jetzt zur Weihnachtszeit wieder in vielen Planetarien und populärwissenschaftlichen Artikeln hören und lesen. Der "Stern von Betlehem", um den es in dieser Bibelstelle geht, scheint eine ideale Verbindung zwischen Astronomie und Religion darzustellen. Die weihnachtliche Himmelserscheinung demonstriert aber auch sehr schön einen Irrtum, den die Wissenschaft immer wieder gemacht hat: Dinge wissenschaftlich erklären zu wollen, die eigentlich keiner wissenschaftlichen Erklärung bedürfen.

Die Suche nach dem Stern ...

Der "Weihnachtsstern" über dem Stall in Betlehem mit den "drei Weisen", die ihm folgend der Geburt von Jesus beiwohnen, gehört zur klassischen Ikonografie des Weihnachtsfestes. Aber schon seit Jahrhunderten bemühen sich auch die Wissenschafter darum herauszufinden, um was für eine Himmelserscheinung es sich dabei gehandelt hat.

Johannes Kepler war der Meinung, es wäre eine Supernova. Genauso ein Ereignis hatte er selbst im Jahr 1604 beobachtet – allerdings ohne zu wissen, um was es sich dabei tatsächlich handelt. Heute wissen wir es: um einen großen Stern, der am Ende seines Lebens explodiert. Und darum wissen wir auch, dass Kepler sich geirrt hat. So eine Explosion hinterlässt Reste (große Wolken aus Gas), die aber nirgendwo beobachtet werden konnten. Eine solche Supernova hätten mit Sicherheit auch Astronomen anderswo auf der Welt beobachtet. Entsprechende Aufzeichnungen existieren aber nicht.

... oder Kometen

Gleiches gilt für die vielen Deutungen, die den Stern von Betlehem als Kometen interpretieren. Abgesehen davon, dass diese Himmelskörper sich bewegen und nicht stehen bleiben, gibt es auch hier abseits der Bibel keinerlei Aufzeichnungen mit entsprechenden Beobachtungen.

Geht man in der Weihnachtszeit in ein Planetarium oder besucht einen populärwissenschaftlichen Vortrag an einer Sternwarte, dann stehen die Chancen gut, dass man dort das erzählt bekommt, was der Wiener Astronom und Historiker Konradin Ferrari d'Occhieppo in den 1960er-Jahren publiziert hat. Er wies auf eine Konjunktion zwischen den Planeten Jupiter und Saturn hin, die im Jahr 7 vor Christus stattgefunden hat. Als Konjunktion bezeichnet man in der Astronomie die scheinbare Begegnung zweier Planeten. In diesem Fall konnte man also Jupiter und Saturn beobachten, die am Himmel sehr nahe beieinander standen, und zwar im Sternbild Fische.

Nachweisliche Konjunktion

Würde man das astrologisch interpretieren, so d'Occhieppo, dann würde Saturn für das jüdische Volk stehen, Jupiter für einen Herrscher und das Sternbild der Fische für Palästina. Die "Sterndeuter aus dem Osten", die laut d'Occhieppo babylonische Astronomen/Astrologen gewesen waren, hätten die Konjunktion also als Hinweis darauf gedeutet, dass in Palästina ein großer Herrscher des jüdischen Volks geboren würde, und sich auf den Weg gemacht, dem Ereignis beizuwohnen.

Die Konjunktion von Jupiter und Saturn hat es im Herbst und Winter des Jahres 7 vor Christus tatsächlich gegeben. Genau das kann man sich in den entsprechenden Planetariumsvorstellungen ansehen. Besonders schön war das Ereignis kurz nach Sonnenuntergang am 12. November am südlichen Himmel zu sehen. Fast ebenso schön lässt sich diese Situation in den modernen Planetarien nachstellen. Dass man dort am künstlichen Himmel aber das sieht, was in der Bibel beschrieben und wir als "Stern von Betlehem" kennen, ist zweifelhaft.

Unsinnige Astrologie

Abgesehen davon, dass die Astrologie damals genauso wenig wissenschaftlich war wie heute (und die astrologische Deutung von d'Occhieppo umstritten ist), ist eine Konjunktion zwischen zwei Planeten alles andere als ein Stern. Den Unterschied zwischen Sternen und Planeten kannte man auch vor 2.000 Jahren schon, und gerade "Sterndeuter" aus Babylonien hätten das eine nicht mit dem anderen verwechselt. Zwei Planeten, die, wenn auch sehr nahe, am Himmel beieinander stehen, sind immer noch zwei Planeten und kein Stern, von dem Matthäus schreibt. Wir kennen außerdem die astronomischen Aufzeichnungen der Babylonier, aus denen hervorgeht, dass sie diese Planetenkonjunktion zwar tatsächlich vorausberechnet, ihr aber keine besondere Bedeutung beigemessen haben.

Die Geschichte des Sterns von Betlehem eignet sich durchaus gut als Anlass dafür, über grundlegende astronomische Phänomene wie Kometen, Supernovae oder die Bewegungen von Planeten zu sprechen. Man sollte aber nicht den Fehler machen, den d'Occhieppo, Kepler und all die anderen Astronomen und Historiker in der Vergangenheit gemacht haben: den Text aus der Bibel als Beschreibung eines realen Phänomens anzusehen.

Symbolischer Stern

Die Bibel ist kein wissenschaftliches Dokument, sie ist kein Tatsachenbericht. Sie ist ein religiöser Text, und es gibt keinen Grund, davon auszugehen, dass die Beschreibung des Sterns irgendetwas mit der Realität zu tun hat. Was auch immer zur Zeitenwende in Palästina passiert ist: Matthäus hat seine Geschichte darüber Jahrzehnte später aufgeschrieben und war selbst nicht dabei.

Die Bibel ist voller Anspielungen und Symbole, und es ist durchaus plausibel, dass der Stern von Betlehem genau so ein Symbol war. Julius Cäsar wurde beispielsweise nach seinem Tod von vielen Römern wie ein Gott verehrt, und eines seiner Symbole war ein Komet. Und wenn der große Cäsar schon so ein himmlisches Statussymbol hat, warum nicht auch dem Heiland eines geben?

Religion und Wissenschaft

Die Wissenschaft konnte erst dann in vollem Umfang zu der modernen Naturwissenschaft werden, die wir heute kennen, als sie anfing, sich von ihren religiösen Fesseln zu lösen. Früher führte man ernsthafte "wissenschaftliche" Diskussionen darüber, wie man eine Arche bauen müsste, um all die in der Bibel beschriebenen Tiere dort unterzubringen. Man "erforschte" die Auswirkungen von Noahs Flut auf die Geografie der Erde oder versuchte herauszufinden, wo sich die Hölle befindet (auf der Sonne, wie man zum Beispiel im 1714 erschienenen Buch "An Enquiry Into the Nature and Place of Hell" von Tobias Swinden nachlesen kann). Erst als die Forscher die Religion Religion sein ließen und sich der realen und objektiv erforschbaren Welt zuwendeten, konnte die Wissenschaft ihr volles Potenzial entfalten.

Der Stern von Betlehem ist ein schönes Symbol für die Weihnachtszeit, aber die Wissenschaft sollte sich weiterhin darauf konzentrieren, die Phänomene zu erforschen, für deren Existenz nachvollziehbare Belege existieren. Die Zeit, in der religiöse Mythen als Beschreibung der Realität galten, ist zum Glück vorbei. (Florian Freistetter, 5.12.2017)