Bregenz – Jährlich erkranken in Österreich 4500 Männer an Prostatakrebs. 1150 sterben pro Jahr an dieser Krebsart. Würden Männer ab 45 Jahren im Rahmen der kostenlosen Vorsorgeuntersuchungen auf Prostatakrebs getestet, könnte die Sterblichkeitsrate gesenkt werden. In Vorarlberg wurde dazu ein Pilotprojekt in Kooperation von Krebshilfe, Selbsthilfegruppe, Gebietskrankenkasse und Ärztekammer entwickelt. Eigentlich war man startbereit. Nun bremst aber der Hauptverband der Sozialversicherungsträger.

Der Hauptverband würde mit laufenden Koalitionsverhandlungen über Harmonisierung der Kassen gegen das Vorarlberger Projekt argumentieren, heißt es aus der VGKK. In Vorarlberg befürchten Kasse und Ärzte, die Absage sei eine erste Folge geplanter Zentralisierung. Statt Harmonisierung sei Nivellierung zu befürchten.

Wie begründet der Hauptverband die Ablehnung? Sprecher Dieter Holzweber: "Die Vorarlberger Regelung deckt sich nicht mit dem Beschluss der Trägerkonferenz zur Leistungsharmonisierung aller KV-Träger, dem auch VGKK-Obmann Brunner zugestimmt hat." Die Trägerkonferenz habe im Juni beschlossen, die Leistungen zu vereinheitlichen. Deshalb stimme man den Vorarlberger Pilotprojekt nicht zu. Die Empfehlung des Hauptverbands: PSA-Tests im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung erst ab 50 Jahren. Ab 40 nur bei bestimmten Indikationen wie tastbaren Knoten oder familiäre Häufung.

Nun soll die VGKK die regionale Ärztekammer von den Empfehlungen des Hauptverbands überzeugen.

Ein Krebs, der sich spät bemerkbar macht

Wie Statistiken zeigen, sinkt die Sterberate mit forcierten Früherkennungsprogrammen. Seit Einführung der PSA-Tests sank die Mortalitätsrate von 54 auf 37 Fälle pro 100.000 Personen. Sie könnte weiter sinken, würde man nicht "sinnvolle Projekte ablehnen", sagt der Präsident der Vorarlberger Krebshilfe, Gebhard Mathis.

Prostatakrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Männern und eine Krebsform, die sich erst sehr spät bemerkbar macht. Die Prostata oder Vorsteherdrüse, gelegen zwischen Harnblase und Mastdarm, ist eine männliche Geschlechtsdrüse, die einen Teil des Spermas erzeugt. Mit zunehmendem Alter kann die Prostata durch gutartige Vergrößerung Schmerzen bereiten. Sie engt dann die Harnröhre ein, der Wasserstrahl wird geringer. Männer leiden dann unter häufigerem Harndrang, auch nachts.

Relativ unspezifische Symptome wie Probleme beim Wasserlassen, bei der Darmentleerung, Blut im Urin, Erektionsschwierigkeiten oder Rückenschmerzen können aber auch auf Prostatakrebs, die häufigste Krebsform bei Männern, hinweisen. Das Fatale: Beschwerden treten erst auf, wenn der Krebs bereits weit fortgeschritten ist.

Früherkennung nach Risiko

Früherkennung sei nur durch regelmäßige Tastuntersuchungen und Messung des prostataspezifischen Antigens (PSA) im Blut möglich, sagt Internist Gebhard Mathis. Er hat zusammen mit der Vorarlberger Gebietskrankenkasse (VGKK), der Prostataselbsthilfe und der Ärztekammer ein risikoangepasstes Früherkennungsprogramm auf Basis der interdisziplinären S3-Leitlinie der Deutschen Krebshilfe und Gesellschaft für Urologie entwickelt.

Im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung sollten Männer ab 45 auf Prostataveränderungen untersucht werden. Kein Screening, sondern individuelle, risikoangepasste Früherkennung ist das Ziel des Projekts. Mathis: "Das bedeutet konkret weniger Blutabnahmen, weniger Angst, weniger Eingriffe und letztlich auch weniger Kosten."

Individuelles Testprogramm

Erster Schritt ist die Information von Männern ab 45 über die Möglichkeiten der Früherkennung. Bei Männern, deren Risiko durch Krebserkrankungen in der Familie erhöht ist, sollten Untersuchungen ab 40 Jahren empfohlen werden. Das inviduelle Krebsrisiko steigt bei Männern, deren Väter oder Bruder an Prostatakrebs erkrankt sind, um das Doppelte bis Vierfache.

Männer sollten klar über die Maßnahmen informiert, über die Aussagekraft von Tests aufgeklärt werden. Denn erhöhte PSA-Werte müssen nicht unbedingt Krebs bedeuten, sie können auch auf eine Entzündung hinweisen.

Neben Tastuntersuchungen werden nach Blutabnahme PSA-Tests durchgeführt. PSA ist die Abkürzung für ein körpereigenes Protein, das "prostataspezifische Antigen". Dieses Eiweiß wird von Prostatazellen gebildet, ein erhöhter PSA-Anteil ist ein erster Hinweis auf Krebszellen. Denn Krebszellen können bis zur zehnfachen Menge des Proteins produzieren. Bei gesunden Männern liegt der Normalwert je nach Alter zwischen 0 und 4 Nanogramm pro Milliliter Blut.

Keine Überbehandlungen

Werden erhöhte Werte festgestellt und keine Biopsie als notwendig erachtet, sollten sich Intervalle der Nachfolgeuntersuchungen am aktuellen PSA-Wert, am zeitlichen Verlauf und am Alter der Patienten orientieren. Mathis: "Wenn nämlich der PSA-Wert rasch ansteigt ist etwas erhöhte Gefahr gegeben, das muss zu weiteren diagnostischen Überlegungen führen."

Je nach Alter und PSA-Wert sollen die Intervalle zwischen einem und vier Jahre liegen, empfehlen die Vorarlberger. Man wolle durch die individuelle Risikoabschätzung Überdiagnose und Überbehandlung minimieren. (Jutta Berger, 10.12.2017)