Halb zog sie ihn...

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... halb sank er hin: Michael Häupl und Horst Seehofer. Zwei politische Schwergewichte in Parteinöten.

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O’zapft is! Dieser wohl berühmteste Spruch, wenn es um München und die Lustbarkeiten des Oktoberfestes geht, müsste wohl abgewandelt werden, wenn man an Bayern und die Traurigkeiten der Politik denkt. "O’zählt is" träfe die momentane Situation rund um Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer besser.

Angezählt ist Seehofer, der lange den starken Mann von München gab und mit Vorliebe die CDU-Vorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel im fernen Berlin mit Ausschermanövern irritierte, schon lange. Das weiß er wohl auch selbst, nicht umsonst hat er sich nun bereit erklärt, den Posten des Ministerpräsidenten für seinen Langzeitrivalen Markus Söder zu räumen.

Weder ganz noch gar nicht

Die Zeitungen titelten schon "Seehofer zieht sich zurück" – allerdings stimmte das schon wieder nicht ganz, es gibt schon wieder den nächsten Streit in der bayerischen CSU um Macht und Einfluss. Söder beansprucht die weiß-blaue Verhandlungshoheit für die Koalitionsgespräche in Berlin, aber Seehofer mag sie nicht hergeben.

Diese Unmöglichkeit (oder das Unvermögen) gleich und ganz zu gehen, verbindet Seehofer mit dem Wiener Bürgermeister Michael Häupl – nebst seiner polternden Art und seiner Vorliebe, der Bundespolitik in die Suppe zu spucken. Auch das SPÖ-Urgestein hat nun, nachdem es schon lange die Spatzen von den Dächern pfiffen, seinen langen Abgang eingeläutet und tut ganz so, als könnte er zwischen zahlreichen Optionen wählen.

Zerstrittene Lager

In Wahrheit tobt im Wiener Rathaus, wie in der Bayerischen Staatskanzlei, ein brutaler Machtkampf um die Nachfolge der alten Herren – und dabei gehen die Kontrahenten nicht zimperlich miteinander um. In der Wiener SPÖ haben sich die Gefolgsleute des immer noch gekränkten Ex-Kanzlers Werner Faymann mit den einwohnerstarken Bezirken zusammengetan, um Wohnbau-Stadtrat Michael Ludwig auf den Schild zu heben. Für den Fall, dass dies gelingt, stellte Ludwig vor kurzem im Radio das "Gegenmodell zu einer ÖVP-FPÖ geführten, sehr konservativ-rechtsorientierten Bundespolitik" in Aussicht. Nach allem, was man von ihm und seinen Unterstützern kennt, wäre das dann wohl eine sehr konservativ-links-rechtsorientierte Politik.

Ludwigs Gegenkandidat Andreas Schieder "tickt" diametral anders: Er ist der Kandidat der "linksgrünen Bobos" in der SPÖ, wie es hämisch von der Gegenseite heißt. Jedenfalls ist Schieder nicht für einen rot-blauen Kuschelkurs zu haben, er steht für eine weiter weltoffene, soziale Stadt. Die mächtige Wiener SPÖ zerfällt in zwei Lager: Gewinnt einer der beiden, wird der Graben in Wien noch tiefer. Und ob einer der beiden Kandidaten bei der nächsten Wahl reüssieren kann, steht in den Sternen.

Dagegen aus Prinzip

Nicht unähnlich die Situation in München: Dort gibt es die Fraktion der "Söderisten" rund um den Finanzministerr, der in Talkshows gerne den Biertischpolitiker gibt. Auf der anderen Seite steht die "Fraktion Seehofer" jener in der CSU, die alles mögliche wollen – nur nicht Söder als dessen alleinigen Nachfolger, ausgestattet mit aller Macht eines bayrischen Ministerpräsidenten und Parteichefs.

Auch in München wurden vorerst nur ein paar Weichen gestellt, eine endgültige Entscheidung im Ringen um die Macht dauert noch. Auch dort wäre ein innerparteilicher Triumph des einen über das andere Lager wohl nur ein Pyrrhussieg. Denn auch dort fragen viele, ob Söder ein Politiker ist, der Wahlen gewinnen kann. Und wer überhaupt eine Alternative wäre?

Wenn sich zwei streiten...

Da wie dort bräuchte es eine dritte Person, die keinem der beiden zerstrittenen Lager zuzurechnen ist, die aber die Kraft hat, beide wieder zu verbinden. Diese Person sollte auch nicht nur in die Tiefe der jeweiligen Partei hinein wirken, sondern tunlichst so stark nach außen strahlen, dass der Wiener wie der Münchner Platzhirsch bei den nächsten Regionalwahlen ein solcher bleibt. In Wien wird das besonders schwierig. Glaubt man jüngsten Umfragen, hat türkis-blau hier bereits eine stabile Mehrheit. Das hieße dann wohl auch für die Bundes-SPÖ, dass es noch schwieriger wird, den Kanzlersessel zurück zu erobern.

Auch das nicht unkomplizierte Verhältnis zwischen CSU und CDU wird nicht besser, wenn die Machtfrage in München nicht bald gelöst ist. Nichts kann Angela Merkel derzeit weniger brauchen, als Streithähne im eigenen Haus. (10.12.2017, Petra Stuiber)