Voodoo Jürgens inspirieren auch alte Hadern von André Heller.

Foto: Heribert Corn

Wien – Wer Walzer tanzen will, braucht traditionellerweise einen Zweiten dazu. Es ist auch kein Geheimnis, dass im Kulturbetrieb – Autonomie des Künstlers hin oder her – Verlage, Plattenlabels, Manager den Takt angeben. Wenn die nicht ganz dumm sind und am besten noch bisserl ein Gespür haben, kommt was Gutes dabei raus.

Der Mittdreißiger Stefan Redelsteiner hat das Gespür. Und einen Lauf, wie man so sagt. In wenigen Jahren hat er die am Selbstzweifel kiefelnde heimische Popmusik vom Kopf auf die Füße gestellt, indem er das, was fehlte, eigentlich nur damit gefüllt hat, was schon immer da war: grantig sein, scheißdrauf sein, traurig sein, ang'soffen sein, lustig sein, g'scheit und bisserl deppert zugleich sein. Stolze Tugenden, die ein Künstlerleben im real existierenden Österreich seit zumindest 200 Jahren halt so vorschreibt.

Rasch nachgelegt

Als Verleger und Musikmanager hat Redelsteiner Künstler wie Der Nino aus Wien, Das Trojanische Pferd, Stefanie Sargnagel, Voodoo Jürgens und Wanda großgezogen. Letztere, mit denen er im richtigen Moment auch das Vakuum im bundesdeutschen Pop füllen konnte, sind ihm mittlerweile in Richtung Majorlabel entwachsen. Macht aber nichts. Denn mit dem durchschlagenden Erfolg von Voodoo Jürgens hat die Underdog-Plattenfirma rasch nachgelegt.

Unter dem Titel "third waltz" feierte die Redelsteiner-Entourage am Mittwoch nun ihren Jahresabschluss mit einem Konzertabend im ausverkauften Gasometer. Als Einpeitscherin gab Stefanie Sargnagel eine Lesung, bei der sie auch frei von der Leber weg kabarettistische Sager einstreute. Was sie denn vom "Rechtsruck" in Österreich halte, werde sie in letzter Zeit oft von deutschen Journalisten gefragt. Antwort: "Keine Ahnung, Oida! Ich bin jetzt Künstlerin und hab keinen Kontakt mehr zur normalen Bevölkerung."

Beislpoesie und Schwermut

Tatsächlich hat Sargnagel, die mit Facebookpostings zwischen Klospruch und Beislphilosophie begonnen hatte, in den letzten zwei Jahren via Redelsteiner einen ziemlichen Sprung gemacht. Im Rabenhof-Theater läuft etwa eine hervorragende Bearbeitung ihres Textes vom Bachmannpreislesen, bei der Voodoo Jürgens, den sie kennt, seit man mit 16 Jahren zusammen das Flex erkundet hat, Musik beisteuert.

Auch im Rabenhof zu sehen ist derzeit Oliver Welter, Kopf der wunderbaren Schweremut-Indieband Naked Lunch und Neo-Redelsteiner-Mitglied. Im Gasometer lieferte man alte Hymnen (Military of the heart) und Neues (So Sad), im Rabenhof brilliert Welter in Holodrio – einer Hommage an die frühen Chansons von André Heller, von denen nicht wenige meinen, sie seien des Universalkünstlers Meisterstücke gewesen.

Leid, Lust und Laster

Womit wir bei Voodoo Jürgens angelangt wären. Als Strizzi-Kunstfigur besingt der gebürtige Tullner seit gut einem Jahr Leid, Lust und Laster des Lebens, wie es spielt, wenn man nicht mit Altbauwohnung und Reformpädagogik, sondern mit "Eierspeisbauten" und "Hausdetschn" sozialisiert wurde. Zur Seite steht "dem Voodoo", wie ihn Freunde nennen, die auf wehleidig-schöne 6/8-Takt-Schunkler mit Quetschn spezialisierte Band Ansa Panier. Im Gasometer interpretierte das Gespann das Lied De Wööd is a Wolf von André Heller und gab auch eine kleine Vorausschau auf die kommende zweite Platte. Tendenz: gleichbleibend gut.

Es ist ins Jetzt projizierte österreichische Tradition, mit der Kunst aus der Redelsteiner-Ecke aufwartet. Melancholie, schwarzer Humor, die Lust am Grenzgang, am schmalen Grat zwischen Höhenflug und Absturz. Neu ist das nicht. Ganz falsch mit Sicherheit auch nicht. Denn das Gute am Pessimismus ist ja: Es kann immer nur besser werden. (Stefan Weiss, 8.12.2017)