Evangelikale wie Vizepräsident Mike Pence sind erfreut über die Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt durch Donald Trump. Pence gilt als jener Politiker in den USA, dem die Evangelikalen besonders vertrauen.

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Washington/Wien – Sie zählen zur treuesten Basis des US-Präsidenten, und sie hoffen auf Krieg: Viele aus der Millionen Wähler zählenden Subkultur der US-Evangelikalen sehen in der Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt durch Donald Trump die Erfüllung einer biblischen Prophezeiung. Immerhin haben sie in unzähligen Stunden des privaten Religionsunterrichts seit Jugendtagen gelernt, was es bedeutet, wenn Juden und Christen wieder alleinige Kontrolle über den Tempelberg haben: Dann, so glauben sie, könne der Wiederaufbau des historischen Tempels beginnen, der in ihrer Lesart der biblischen Johannes-Offenbarung – der Apokalypse – die Rückkehr des Messias und den Endkampf zwischen Gut und Böse in Gang setzt. Dieses aus ihrer Sicht meist freudig besetzte Ereignis erhoffen sich 22 Prozent der Amerikaner innerhalb der eigenen Lebenszeit.

Das mag nicht erstaunen: Rund ein Viertel der US-Bürger sind nach einer Umfrage des Instituts Gallup aus dem Mai überzeugt, dass die Bibel als Wort Gottes wörtlich zu verstehen ist. Unter jenen, die sich als evangelikale Christen verstehen, ist der Anteil wesentlich höher. Von ihnen geben auch 45 Prozent an, ihre Meinung zum Nahostkonflikt sei vor allem durch das Wort Gottes beeinflusst.

Ein Sünder mit Potenzial

Verblüffender ist auf den ersten Blick schon, dass ausgerechnet Donald Trump zum Vehikel der christlich-nahöstlichen Hoffnungen wird – ein Mann, dem nach christlichem Verständnis zahlreiche Sünden vorzuwerfen sind.

Tatsächlich ist aber auch dies eine Beziehung, die Trump im Wahlkampf wohlkalkuliert eingegangen ist: Zu den Signalen, die evangelikale Wähler an ihn binden sollten, zählt nicht nur das Wahlversprechen zu Jerusalem oder die Härte gegen Abtreibung, sondern auch die Auswahl seines Stellvertreters. Mike Pence gilt als jener Politiker in den USA, dem die Evangelikalen besonders vertrauen – nicht zuletzt wegen Verhaltensweisen, die außerhalb christlicher Gruppen oft belächelt werden. Allerdings hat sich auch in dieser Frage mit Donald Trump der Fokus verschoben: 72 Prozent der Evangelikalen sind der Ansicht, ein politischer Kandidat müsse sich nicht persönlich moralisch verhalten, solange er politisch christliche Inhalte umsetze. (Manuel Escher, 8.12.2017)