William H. Gass: 1924-2017.

Wien – Der Autor und Essayist William H. Gass war keiner, der gern Kompromisse einging. Seinen monumentalen, obsessiv um die Themen Holocaust und Nationalsozialismus kreisenden Roman Der Tunnel (1995) zum Beispiel plante er zunächst als eine Sammlung loser Blätter in einer Schachtel zu veröffentlichen.

Sein Verlag setzte dann beim Autor, der seine Bücher gern als "experimentelle Konstruktionen" bezeichnete, eine etwas konventionellere Form durch. Doch auch so wurde das Buch – wie schon der zwischen Essay und Novelle oszillierende Text Willie Master's Lonsome Wife (1968) – mit vielen typografischen Extravaganzen und grafischen Elementen noch radikal genug.

Die Machart seiner Bücher war Gass wichtig, weil in seinem oft herausfordernden, zwischen Stilen und Gattungen oszillierenden Werk sinnliche und sprachliche Erfahrung in eins fallen. Wobei es diesem Autor nicht um Plots, sondern um Ästhetik und Innovation ging – und um jene Grenze zwischen Sprache und Welt, mit der seine entfremdeten und isolierten Figuren kollidieren.

Schwierige Kindheit

Gass, 1924 in Fargo geboren, diente nach einer schwierigen Kindheit und Schulzeit als Soldat im Weltkrieg. Anschließend studierte er an der Cornell University, wo er sich auch mit Wittgenstein befasste, Philosophie. Nach seinem Debüt Omensetters Glück (1966) legte Gass über die Jahre ein schmales, aus sechs Prosa- und einer Handvoll Essaybänden bestehendens Werk vor, das ihn zu einem der bekanntesten postmodernen Autoren der USA machte. William H. Gass starb, wie erst jetzt bekannt wurde, am Mittwoch 93-jährig an einem Herzversagen. (steg, 8.12.2017)