Die Volksanwaltschaft hat ihren ersten Sonderbericht zur Einhaltung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in Wohneinrichtungen präsentiert – seit mehreren Tagen sind aktuelle Fälle aus dem Burgenland und Niederösterreich öffentlich Thema.

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Wien – Der Bericht mit dem Titel "Kinder und ihre Rechte in öffentlichen Einrichtungen" ist von trauriger Aktualität. Seit mehreren Tagen machen Fälle angeblicher Missstände in Wohngemeinschaften mit Kindern und Jugendlichen in Niederösterreich und im Burgenland Schlagzeilen. Just zu diesem Zeitpunkt hat am Montag die Volksanwaltschaft, die sich auch bei den aktuellen Fällen eingeschaltet hat, ihren ersten Sonderbericht zur Einhaltung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in solchen Wohneinrichtungen präsentiert.

Ebenso darin thematisiert wird die Menschenrechtslage in der Jugendpsychiatrie, in Schulen für Kinder mit Behinderung sowie für Jugendliche in Justizanstalten, deren Zahl von 96 im Jahr 2014 auf 143 heuer am 1. September gestiegen ist.

Teils erniedrigende Sanktionen

Zu den Wohneinrichtungen, in denen sich 2016 österreichweit 8.523 Minderjährige befanden, heißt es in dem Bericht, dass die Lebensbedingungen darin sich im Vergleich zu vergangenen Jahrzehnten zwar eindeutig zum Besseren gewandelt hätten, die Kommissionen hätten aber trotzdem zuweilen "unangemessene, bis hin zu erniedrigende Sanktionssysteme" dokumentiert. So habe sich ein Minderjähriger in einer Einrichtung zum Beispiel zur Strafe fast nackt in den Regen stellen müssen. In einer anderen Wohngemeinschaft habe man ein Kind die ganze Nacht in dem mit Duschgel getränkten Bett liegen lassen.

Bis zu acht Kinder hier, bis zu 16 da

Volksanwalt Günther Kräuter verlangt für Kinderwohneinrichtungen eine durchgängige Gewaltprävention, sexualpädagogische Konzepte als Bewilligungsvoraussetzung, unabhängige Vertrauenspersonen für die Minderjährigen, einen höheren Tagsatz sowie bundeseinheitliche Standards. Bei den Gruppengrößen gebe es da etwa Handlungsbedarf: So seien diese zum Beispiel in Wien mit bis zu acht Kindern beschränkt, im Burgenland gebe es aber Gruppen mit bis zu 16 jungen Menschen. Auch der Personalschlüssel sei unterschiedlich.

Die personelle Situation ist laut Bericht gar "alarmierend": Hier gebe es zunehmend Probleme wegen nicht besetzter Dienststellen und einer hohen Fluktuation der Mitarbeiter, worunter das Arbeitsklima allgemein leide und was laufend Beziehungsabbrüche für die jungen Bewohner bedeute.

Sexualpädagogische Konzepte fehlen

"Oftmals" seien "die strukturellen Rahmenbedingungen" zudem "geradezu förderlich für das Auftreten von sexueller Gewalt". Es gebe Beispiele, wo das Personal "große Bedenken" vor Aufnahme eines Kindes ohne besondere Vorkehrungen geäußert habe, wo aber erst "nachdem es zu unerwünschten sexuellen Handlungen gekommen war" eine Verlegung erfolgt sei.

Mithilfe eines sexualpädagogischen Konzepts sollte "das Personal dazu angeleitet werden, Anbahnungen und Manipulationen richtig zu interpretieren und ihnen gegenzusteuern", heißt es im Sonderbericht. Verbindliche Regeln im Umgang miteinander sowie im Umgang mit Nähe und Distanz würden Sensibilität erzeugen. Oft gebe es bei den Mitarbeitern zwar ein Bewusstsein für die Thematik, aber keine klaren Strategien und Verantwortlichkeiten, um sexuelle Übergriffe zu vermeiden. – Die Volksanwaltschaft fordert das Vorliegen eines solchen Konzepts als Voraussetzung für die Bewilligung einer Einrichtung.

Neue Vorwürfe in Niederösterreich

In jenem aktuellen Fall in Niederösterreich erzählten ehemalige Mitarbeiter des Bundesverbandes Therapeutische Gemeinschaften (TG) und drei Jugendliche Anfang Dezember in der "Zeit im Bild 2" von Erniedrigungen durch Betreuer. Vergangenes Wochenende wurde über weitere Vorwürfe gegen die Einrichtung, in der sechs Jugendliche im Alter von zwölf bis 17 Jahren untergebracht sind, berichtet.

Laut "Profil" kam es zu "Selbstmordversuchen, Sexualdelikten, Sachbeschädigungen, Körperverletzungen und Diebstählen" und im Vorjahr zu insgesamt 33 Polizeieinsätzen. Der zuständige Landesrat Franz Schnabl (SPÖ) ließ eine Sonderkommission einrichten, die Landes-Grünen forderten am Montag aber einen unabhängigen Untersuchungsausschuss, da der Geschäftsführer des Trägers, Hermann Radler, SPÖ-Mitglied und Gemeinderatsmitglied in Ebenfurth im Bezirk Wiener Neustadt ist.

SPÖ-Mitgliedschaft ruhend gestellt

Radler teilte am Montag laut APA mit, er habe seine SPÖ-Mitgliedschaft und sein Gemeinderatsmandat ruhend gestellt und begrüße die eingesetzte Kommission unter der Leitung von Familienrechtsanwältin Simone Metz und Gabriele Fischer, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie. Die Geschäftsführung der TG hat "Vorwürfe über Misshandlungen" in den vergangenen Tagen mehrmals als "zu 100 Prozent unwahr" bezeichnet. (Gudrun Springer, 11.12.2017)