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Braunbären können in freier Natur theoretisch an die 30 Jahre alt werden – dazu kommt es allerdings so gut wie nie.

Foto: Reuters/GLEB GARANICH

Wien – Dem Leben von rund 900 Braunbären in Skandinavien ist ein internationales Wissenschafterteam mit österreichischer Beteiligung über mehr als 30 Jahre gefolgt. Eine Auswertung der Daten im Fachblatt "Nature Ecology & Evolution" zeigt nun, wie stark der Mensch das Leben dieser Wildtiere und damit auch ihre Evolution beeinflusst. Vor allem die Jagd hat unerwartete Effekte.

Die umfangreichen Daten würden erneut zeigen, dass der Mensch zum Hauptfaktor für die Evolution geworden ist, sagte Andreas Zedrosser, der am University College of Southeast Norway in Notodden und an der Universität für Bodenkultur Wien tätig ist. Der Kärntner ist seit Ende der 1990er Jahre in das 1984 gestartete, groß angelegte "Scandinavian Brown Bear Project" involviert. Mittels Sendern spüren die Wissenschafter seither großteils in Schweden Braunbären nach.

Kurzes Leben

Derartig langjährige Datensammlungen seien selten, über das Leben großer Tiere mit potenziell langen Lebensspannen – Braunbären können immerhin an die 30 Jahre alt werden – lasse sich oft wenig sagen. Zedrosser und Kollegen verfolgen daher den Anspruch, das Leben der Tiere von der Geburt bis zum Tod wissenschaftlich zu dokumentieren. Dabei zeigte sich, dass die Braunbären nur selten ein höheres Alter erreichen. Im Durchschnitt werden sie lediglich fünf Jahre alt.

In Schweden werden jährlich rund zehn Prozent der ungefähr 3.000 Braunbären gejagt. Diese Quote sei relativ hoch. "Das durchschnittliche Alter bei der Reproduktion liegt aber auch bei ungefähr fünf Jahren. Das heißt viele Bären werden gar nicht so alt, dass sie Nachkommen zeugen können. Alleine schon das zeigt, wie groß der Einfluss auf das System ist", erklärte Zedrosser.

Der Gedanke, dass der Mensch kaum Auswirkungen auf das Leben dieser Wildtiere hat, sei daher falsch. "Wir leben im Zeitalter des Anthropozäns – wo der Mensch einfach der große Einflussfaktor wird", so Zedrosser. Vor allem bei so großen Tieren, die lange in relativ natürlichen Umgebungen leben, hätte man dies lange unterschätzt. Wie sehr das auch auf die Entwicklung des Braunbären zutrifft, werde mittlerweile eben auch im hohen Norden sichtbar.

Paradoxe Selektion

Neben unbeantworteter ethischer Fragen müsse man auch untersuchen, wie der Mensch indirekt ein Tier "genau auf das momentan herrschende System anpasst". Wie das geschieht, zeige sich etwa an der Aufzucht der jungen Bären: Während genetisch sehr gut ausgestattete Bärenmütter in etwa alle zwei Jahre Nachwuchs haben, behalten weniger gut ausgestattete, kleinere Bärinnen ihren Nachwuchs meistens ein Jahr länger bei sich, um ihm bessere Überlebenschancen zu sichern. In Schweden dürfen Bären, die im Familienverband unterwegs sind, jedoch nicht geschossen werden. Das heißt, dass paradoxerweise die Überlebenschancen von genetisch weniger gut ausgestatteten Müttern deutlich steigen. Zedrosser: "Es findet eine unbewusste Selektion in Richtung weniger reproduktiver Tiere statt."

So rufe der Mensch genetische Veränderungen in der Population hervor, auch wenn sich die Gesamtanzahl der Tiere nicht dramatisch verändert. Das könne dann zum Problem werden, wenn sich die Umstände beispielsweise durch den Klimawandel ändern. Zedrosser: "Wie wir die Natur beeinflussen geht oft ganz andere Wege als wir denken." (APA, 11.12.2017)