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Am Montag fand in in der Lisinski-Halle in Zagreb eine Gedenkveranstaltung für den verstorbenen Kriegsverbrecher Slobodan Praljak statt.

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Unter den Gästen war etwa Veteranenminister Tom Medved (Mitte).

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Anwesend war auch der Sohn von Franjo Tudjman, Miroslav Tudjman, der erklärte, dass Praljaks Suizid "keine Flucht aus der Verantwortung" gewesen sei.

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Auch der völkisch-nationalistische Sänger Marko Perković nahm an der Feier teil.

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Zagreb/Sarajevo – Auf dem Hauptplatz von Zagreb wurden vor dem zentralen Denkmal Bilder von ihm aufgestellt und Kerzen angezündet. Darüber stand ein Wort: Held! Am Montag fand in der kroatischen Hauptstadt in der Lisinski-Halle eine Gedenkveranstaltung für den verstorbenen herzegowinischen Kriegsverbrecher Slobodan Praljak statt. Praljak war am 29. November vom Haager Jugoslawien-Tribunal zu 20 Jahren Haft verurteilt worden – noch bei der Gerichtsverhandlung beging er Suizid, indem er Zyankali zu sich nahm. Davor sagte er zu den Richtern: "Richter, Slobodan Praljak ist kein Kriegsverbrecher, mit Verachtung weise ich Ihr Urteil zurück."

Das ursprüngliche Urteil wurde bereits 2013 gefällt und nun nochmals bestätigt. Das Wichtigste daran (Prljić et al.) war, dass die sechs militärisch und politisch verantwortlichen Kroaten im Bosnienkrieg als Teil einer "gemeinsamen verbrecherischen Unternehmung" verurteilt wurden, die es zum Ziel hatte, die Muslime aus Teilen von Bosnien und Herzegowina zu vertreiben. Deshalb könnten jetzt auch Kompensationszahlungen auf den Staat Kroatien zukommen.

"Verbrecherische Unternehmung"

Denn zu dieser "verbrecherischen Unternehmung" wird in dem Urteil auch der ehemalige kroatische Präsident Franjo Tudjman gezählt. Das war auch der Hauptgrund, weshalb nationalistische Kroaten, die Regierung und sogar die Staatschefin Kolinda Grabar-Kitarović gegen das Urteil wetterten. Tudjman gilt in Kroatien, bei nationalistischen Kroaten in Bosnien-Herzegowina und anderswo in der Diaspora als Held.

Nun ist auch Praljak – über den vorher kaum jemand gesprochen hat – durch seine inszenierte Selbsttötung zum Nationalhelden geworden. Die Regierung in Zagreb hatte zwar angekündigt, nicht bei den Trauerfeierlichkeiten zu erscheinen – doch dies erwies sich am Montag als unrichtig. Denn in die Lisinski-Halle war nicht nur der Vizepräsident des kroatischen Parlaments, der Herzegowiner Milijan Brkić, gekommen, sondern auch Veteranenminister Tom Medved, Verteidigungsminister Damir Krstičević und die alten Granden der Regierungspartei HDZ, Vladimir Šeks und Andrija Hebrang. Auch der völkisch-nationalistische Sänger Marko Perković (Thompson) war anwesend, dessen Konzerte teils verboten werden.

"Erhabener Tod, große Seele"

Aus Dalmatien und aus der Herzegowina kamen Busse mit Leuten, etwa aus Šibenik, Split, Imotski und Tomislavgrad. Und alle erwiesen dem Kriegsverbrecher Ehrenbezeugungen, ganz so, als handle es sich um einen großen Humanisten und nicht um einen Menschen, der Leid und Grauen zu verantworten hat. Praljak war unter anderem jener General, der die Bombardierung der osmanischen Brücke in Mostar zu verantworten hat. Davon und von den Opfern der Verbrechen der kroatischen Einheiten im Krieg (1993–1994) war in der Lisinski-Halle nichts zu hören.

Der pensionierte Admiral Davor Domazet Lošo sagte hingegen, dass Praljak als "Unschuldiger" gestorben sei, es habe sich um einen "erhabenen Tod" gehandelt. Andere sprachen davon, dass Praljak die "politische Justiz" in Den Haag nicht akzeptiert habe, nannten ihn eine "große Seele". Der frühere Verteidigungsminister Pavao Miljavac sagte, Praljak habe die "Geschichtsfälschung" nicht akzeptiert und "sein Volk vor der Deportation gerettet".

"Als EU-Mitglied mehr erlauben"

Anwesend war auch der Sohn von Franjo Tudjman, Miroslav Tudjman, der sagte, dass Praljaks Suizid "keine theatralische Geste" und "keine Flucht aus der Verantwortung" gewesen sei. Er sagte, Praljak sei kein Kriegsverbrecher gewesen – hunderte Anwesende applaudierten. Am Ende der Gedenkfeier sangen die Teilnehmer die kroatische Hymne. Selbst Premier Andrej Plenković hatte von einem "ungerechten Urteil" gesprochen.

Der Kroatien-Experte von der Universität Graz, Florian Bieber, verweist darauf, dass Kroatien in der Aufarbeitung der Verantwortung für die Kriegsverbrechen schon viel weiter gewesen sei. "Solche Kommentare, wie sie nun von der Regierung oder der Staatschefin gekommen sind, wären weder unter Ex-Premier Ivo Sanader noch unter Ex-Premier Zoran Milanović möglich gewesen", so Bieber. Einerseits könne es sein, dass sich der "konservative Geist wieder mehr eingeschlichen" habe, oder dass man in Kroatien glaube, dass man sich als EU-Mitglied mehr erlauben könne. "Doch die Reaktionen haben gerade in der EU viele vor den Kopf gestoßen", sagt Bieber. "Denn es ist eine Sache, ein wenig an der Geschichte herumzukitten, eine andere aber, sich gegen die Entscheidung eines internationalen Gerichts aufzulehnen."

"Gemeinsame Zukunft bauen"

Auch in Bosnien und Herzegowina ist die Stimmung unter Kroaten eher reaktionär. Jene, die gegen diese völkisch-nationalistische Aufwallung auftreten und sich an die Seite der Opfer stellen, wie die Journalistin Štefica Galić, die in Mostar lebt, werden von Nationalisten bedroht.

Galić selbst war nicht überrascht, dass die Öffentlichkeit so auf das Urteil gegen die sechs Kroaten reagiert hat, sagt sie. Sie denkt auch nicht, dass die extremistischen Kroaten von der HDZ in Bosnien und Herzegowina die "Schwere der Verbrechen, die in Bosnien und Herzegowina begangen wurden", verstehen würden. "Tudjmans kranke und hegemoniale Politik in den 1990er-Jahren, gemeinsam mit Ex-Verteidigungsminister Gojko Šušak und Ex-General Janko Bobetko, hat so viel Leid, Tod, Zerstörung, Vertreibung, ethnische Säuberungen in unserem Land verursacht." In Bosnien-Herzegowina gebe es aber noch immer Blindheit in allen "Schafställen", meint Galić in Anspielung auf das "Herdenverhalten". "Diese Gesellschaft wird sich nie erholen, wenn wir nicht mit den Verbrechen der Vergangenheit umgehen, wenn wir nicht um Vergebung bei den Opfern bitten und beginnen eine gemeinsame Zukunft zu bilden."

Galić und ihr verstorbener Mann Neđo Galić haben im Krieg vielen Muslimen geholfen. Seit dem Wiedererstarken der völkisch-nationalistischen Kräfte in der Herzegowina wird Galić öffentlich angefeindet, seit 2010 wird sie regelmäßig bedroht. "Aber ich gehe nicht zur Polizei", sagte Galić zum STANDARD, "denn dort bedrohen sie mich auch." (Adelheid Wölfl, 11.12.2017)