Moskau/Wien – Die Mehrheit der für eine Entsendung nach Pyeongchang infrage kommenden russischen Sportler will an den Winterspielen in Südkorea teilnehmen, auch wenn sie unter neutraler Flagge antreten müssen. Keiner der befragten Athleten habe für einen Boykott plädiert, sagte Sofia Welikaja, die Athletenvertreterin im russischen olympischen Komitee (ROC). "Jeder bereitet sich vor und hofft, antreten zu dürfen."

Offiziell soll die olympische Versammlung als oberstes ROC-Gremium heute über die Teilnahme entscheiden. Das Nationale Olympische Komitee unterstütze jene Athleten, die teilnehmen wollen, und respektiere die Meinung derer, die entscheiden, nicht anzutreten, sagte die Fechterin Welikaja.

Wegen des nach den Spielen von Sotschi ruchbar gewordenen Skandals um staatlich unterstütztes Doping hatte das Internationale Olympische Komitee (IOC) vergangene Woche Russland als Nationalteam von den Spielen in Pyeongchang (9. bis 25. Februar) ausgeschlossen. Nachweislich dopingfreie Sportler und Mannschaften aus Russland dürfen aber auf Einladung teilnehmen. Präsident Wladimir Putin stellte ihnen die Teilnahme frei.

Die Sportler wollten von IOC-Präsident Thomas Bach fordern, die lebenslangen Olympia-Sperren für bisher mehr als 25 ihrer Kollegen aufzuheben, sagte Welikaja der Agentur TASS zufolge. Das IOC hat die Sportler wegen der Manipulationen von Dopingproben bei den Heimspielen 2014 gesperrt. "Nicht die fünfte, sechste Garnitur" russischer Sportler, sondern wirklich die Spitze soll nach Pyeongchang eingeladen werden, sagte Welikaja.

Instanzenhindernislauf

Auch für die noch nicht Gesperrten dürfte der Weg nach Südkorea ein breiter sein. Ein Gremium unter dem Vorsitz der ehemaligen französischen Sportministerin Valerie Fourneyron soll feststellen, welcher Athlet sauber ist und für einen Start infrage kommt. Steht die Liste fest, entscheidet noch ein Dreiergremium des IOC über die endgültige Starterlaubnis. Vorsitzende des Trios ist Nicole Hoevertsz aus Aruba.

Nicht nur in Russland ist man mit der aktuellen Regelung unglücklich. Ermittler Richard McLaren, der Russland systematisches Doping bescheinigt hatte, kann mit dem Urteil wenig anfangen. "Die Vorstellung, dass Russland ausgeschlossen wurde, ist völlig falsch", sagte der Kanadier. Für McLaren habe das IOC lediglich den Nominierungsprozess von Russland übernommen.

Das IOC-Mitglied Adam Pengilly stieß sich an der Namensgebung für das neutrale Team. "OAR, olympischer Athlet von Russland, klingt nicht wirklich neutral", sagte der Brite. Bereits vor den Sommerspielen 2016 in Rio hatte Pengilly einen kritischen Geist bewiesen, als er als einziges IOC-Mitglied Bachs Schongang mit den Russen in der Abstimmung widersprach.

Pikanterweise wurde nun auch noch bekannt, dass Russland im Vorfeld der IOC-Entscheidung die Ermittlungen der zuständigen Kommission bespitzelt haben soll. Eine Delegation eines russischen Nachrichtendienstes habe sich im selben Hotel wie die Kommission befunden. (sid; red, 12.12.2017)