Dass es in der amerikanischen Demokratie öfter Meinungsverschiedenheiten zwischen Parteifreunden gibt, als man dies in Europa gewöhnt ist – das ist bekannt. Das Problem, vor dem die Republikaner stehen könnten, sollte Mittwochfrüh tatsächlich ihr Kandidat Roy Moore als Sieger der Senatswahl feststehen, ist aber doch ungewöhnlich.

Sie haben es mit der Frage zu tun, wie man mit einem Parteigenossen umzugehen hat, der für viele von ihnen unannehmbar ist – und von dessen Stimme doch womöglich ihre dünne Mehrheit in der kleineren Kammer des US-Kongresses abhängt. Hoch umstritten war Moore schon vor dem Bekanntwerden der Missbrauchsvorwürfe gegen ihn, die er zurückweist – wegen der politischen Positionen, die er offensiv vertritt.

Willkommene Gelegenheit

Wohl auch deshalb waren viele Senatoren des republikanischen Establishments besonders schnell mit der Verurteilung Moores, nachdem die "Washington Post" erstmals über die möglichen Missbrauchsfälle berichtet hatte.

Für viele Senatoren war dies wohl auch eine gute Gelegenheit, sich von einem Politiker zu distanzieren, dessen Ansichten über den Einfluss der Religion auf Politik, dessen Haltung zu Homosexuellen, ethnischen Minderheiten, Liberalen sie nur schwer gutheißen konnten – und der zudem von "Breitbart"-Chef Steve Bannon gefördert wird, der dem Parteiestablishment dem Kampf angesagt hat.

Viele forderten Moore auf, seine Kandidatur ruhen zu lassen, die Partei stellte ihre finanzielle Unterstützung ein, Stimmen aus der Partei forderten, ihn auch als gewählten Senator wieder aus der Kammer zu entfernen. Umso heftiger fiel bei manchen von ihnen dann das Zurückrudern aus, als Präsident Donald Trump zuletzt immer deutlich für Moore Partei ergriff. Trump, der im Vorwahlkampf noch Moores Konkurrenten Luther Strange unterstützt hat, argumentiert mit der Gefahr für die Mehrheit im Senat. Immerhin geht es um einen Sitz, der erst 2020 wieder neu zu besetzen ist.

Die Beteiligung entscheidet

Trumps Unterstützung hat einen Sieg Moores jedenfalls wieder wahrscheinlicher gemacht. Sagten Demoskopen kurz nach dem Schock über die Missbrauchsvorwürfe noch einen Sieg des Demokraten Doug Jones voraus, steigen nun wieder die Chancen für Moore.

Jones liegt zwar in Umfragen, die sich auf alle Wahlberechtigten beziehen, auch weiterhin voran – Moore führt aber bei jenen, die als "wahrscheinliche Wähler" gelten. Wie die Wahlbeteiligung tatsächlich aussehen wird, wagt kaum jemand zu prognostizieren. (Manuel Escher, 12.12.2017)