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Schon für vergangenes Frühjahr hat Microsoft Virtual-Reality-Interessenten eigentlich Hoffnungen gemacht, als man 2016 "Windows Holographic" ankündigte. Das Mixed-Reality-System, wie es die Entwickler nennen, hat sich jedoch verzögert und erst mit dem im Herbst ausgelieferten "Fall Creators Update" für Windows 10 Einzug gehalten. Zeitgleich wurden kompatible Brillen verschiedener Partnerhersteller verfügbar, die allerdings offiziell noch nicht in Österreich vertrieben werden.

Dennoch war die Jagd des Webstandard nach einem Testmuster war mittlerweile erfolgreich. Wir haben uns mit dem Gerät von Acer, schlicht "Mixed Reality-Headset" genannt, in die neue Windows-Umgebung vorgewagt.

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Vom Kickstarter-Projekt zur Zukunftshoffnung

Zuvor noch ein kurzer Exkurs: 2012 hat ein Start-up namens Oculus eine Kickstarter-Kampagne für den Prototypen einer VR-Brille, die Oculus Rift, gestartet. Mit über 2,4 Millionen Dollar, die von Interessenten beigesteuert wurden, entwickelte sich das Projekt zu einem der damals erfolgreichsten Crowdfundings. Und es erzeugte großes Interesse an Virtual Reality-Technologie, die in den Jahrzehnten davor zwar immer wieder kurze Hypes erlebte, aber mangels technischer Umsetzbarkeit nie relevant wurde.

Der technische Fortschritt allerdings erlaubte es allerdings, ein durchaus beeindruckendes, erstes Gerät auszuliefern. Nach und nach begannen auch größere Konzerne, das Potenzial zu wittern. Google brachte mit Cardboard eine Handyhalterung und erste VR-Apps als mobile Lösung an den Start. HTC und Steam-Hersteller Valve begannen mit der Entwicklung eines eigenen Systems, der Vive. Auch Sony kündigte ein VR-Set für die Playstation 4 an. Und Oculus selbst wurde von Facebook geschluckt, dessen Gründer Mark Zuckerberg große Stücke auf die Technologie schwört.

Microsoft selbst setzte zuerst nur auf Augmented Reality, also die Mischung aus realer (physischer) Umgebung und digitalen Inhalten. Das Interesse an Consumer-Lösungen erwies sich dabei aber ebenso gering, wie bei Googles AR-Brille Glass. Beide Geräte werden mittlerweile für spezialisierte Einsätze im Arbeitsumfeld gepusht. Die Oculus Rift, HTC Vive, Playstation VR und Google Daydream sind mittlerweile in finaler Fassung erschienen.

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Schneller Einstieg

Doch zurück zur Windows Holograpic-Plattform. Die Einrichtung mit der Acer-Brille ist sehr einfach. Das Gerät wird angesteckt und Windows lädt daraufhin automatisch einen Begrüßungsdialog. In wenigen Schritten richtet man zuerst die Brille zum Computer aus und definiert ein Areal, in dem man sich frei bewegen kann. Während es für die Vive Zusatzsensoren gibt, die man im Raum aufstellen muss, kommt Microsofts Lösung ohne aus.

Wird der Computer an einen anderen Ort verfrachtet, muss das Prozedere wiederholt werden. Alternativ gibt es aber auch einen Modus, um die jeweilige Brille sitzend zu verwenden. Neben Acer haben auch noch HP, Lenovo, Asus, Dell und Samsung Headsets auf den Markt gebracht.

Edles "Startmenü"

Das "Startmenü", wie es Microsoft nennt, präsentiert sich als futuristsch-spartanische Villa mit Blick auf Meer und Berge. Die Fortbewegung erfolgt im Stehend-Modus mithilfe der zwei beigelegten Controller, die stark an jene der HTC Vive erinnern, allerdings noch etwas größer ausfallen. Diese nutzen je zwei AA-Batterien zum Betrieb und werden korrekt und schnell in die Umgebung eingebunden. Sie bieten zwei Aktionsknöpfe (seitlich und einen vorderen Trigger), ein klickbares Touchpad sowie einen Analogstick. Eine zusätzliche Windowstaste erlaubt den Aufruf des Appmenüs bzw. die Rückkehr in die Villa aus einem laufenden Vollbildprogramm.

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Die Bedienung ist sehr intuitiv gehalten. Eine teiltransparente Linie erleichtert das Anvisieren von Schaltflächen und virtuellen Gegenständen, die Microsoft "Hologramme" nennt. Apps und die virtuellen Modelle können an Wände oder frei schwebend platziert werden. Die dafür verwendeten "Gesten" ähneln jenen, die man auch auf Smartphones nutzt.

Für Unterhaltung gemacht

Voreingerichtet sind ein Konferenzraum mit Edge-Browser und Skype und auch ein Kinoraum mit der Filme & TV-App. Wer will, kann diese Apps natürlich auch an jeder beliebigen anderen Stelle platzieren. Abseits von Voice-Chat und Meetings in Avatarform ist Windows Holographic mit den neuen Brillen aber nur bedingt als Kommunikationslösung geeignet. Spracheingabe wird zwar unterstützt, wer sich aber darauf nicht verlassen will, muss eine schwebende Tastatur verwenden, was einigermaßen mühselig ist. Das gleiche Problem plagt auch den Browser. Dieser ist zwar anständig nutzbar, aber auch hier sind Eingaben kein Spaß. Hierfür sollte man zum klassischen Windows-Desktop zurückkehren.

Gemacht ist die Umgebung für Multimedia und Entertainment. Sprich: Filme, Musik und Games. Insbesondere letzteres klappt mit der Acer-Brille und den Controllern sehr gut. Getestet wurden die Gamingkapazitäten mit "Superhot VR". Grobe Probleme beim Spielen dieses wirklich gelungenen Games gab es nicht, vereinzelt allerdings funktionierte die Ausrichtung der Spielerposition am vordefinierten Areal aber nicht gut und erforderte Verrenkungen. Dem Spaß dabei, sich im "Matrix"-Style unter Kugeln wegzuducken und Gegner mit Schlägen, Wurfgegenständen, Schusswaffen und Superkräften zu Leibe zu rücken, tat dies nur wenig Abbruch.

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Darüber hinaus gibt es auch schon einige andere VR-geeignete Titel im Windows Store. Zudem ist das System mittlerweile größtenteils SteamVR-kompatible, was das Spieleportfolio noch einmal deutlich vergrößert. Filme in VR ansehen ist ein spannendes Erlebnis. Allerdings gewinnen auch hier Fernseher oder Monitor, wenn ich das Ziel ist, sich dabei komplett von der Umgebung abzuschotten. Denn diese bieten in der Regel eine bessere Auflösung und ermöglichen es auch, nebenbei ohne Hindernis auch andere Dinge tun zu können.

Die Realität, die noch nicht "gemischt" ist

Eine Chance vergeben wurde damit, dass die Windows-Headsets – und somit auch jenes von Acer – keine normalen Kameras integriert haben. Die vorderseitigen Module liefern nur Infrarotaufnahmen für die Erfassung der Controller. Es ist nicht möglich, ihre Aufnahme "durchzuschalten" – sie würde aber ohnehin so aussehen, wie das Sichtfeld des "Terminators" aus den gleichnamigen Filmen.

Das heißt auch, dass der Begriff "Mixed Reality" etwas irreführend ist. Denn die zur Verfügung stehenden Brillen erlauben allesamt nur ein Virtual Reality-Erlebnis und keine Vermischung zwischen digitalen Inhalten und der physischen Umgebung. Hier bleibt abzuwarten, was die Zukunft bringt. Wer die virtuelle Umgebung kurzfristig verlassen muss, kann immerhin das Visier des Headsets hochklappen. Schönheitspreise gewinnt man mit einer VR-Brille am Kopf übrigens auch 2017 nicht.

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Passables Headset in billiger Optik

Das Acer-Headset selbst bietet für 449 Euro (inklusive Controllern) Licht und Schatten Das Kunststoffgehäuse ist an sich solide, sieht aber in der blauschwarzen Glanzoptik nicht sonderlich edel aus. Es sitzt prinzipiell bequem. Gegen die Stirn und den Hinterkopf rastet es mit einem weichen Kunstlederpolster. Der austauschbare Schaumstoff, der rund um die Augen für Abgrenzung sorgt und Lichteinfall verhindert, macht jedoch einen billigen Eindruck.

Fixiert wird das Ganze über einen Drehmechanismus auf der Rückseite, was gut klappt. Die Gewichtsverteilung des 440-Gramm-Headsets ist leicht stirnlastig, aber nicht in störendem Ausmaß. Die Linsen sind klar, lassen sich aber im Abstand nicht verstellen, auch eine Dioptrienkorrektur gibt es nicht. Eine Sehhilfe normaler Größe kann getragen werden, was der ohnehin mäßigen Belüftung allerdings nicht gut tut. Gerade wenn man sich in der Virtual Reality etwas anstrengt, kann es mit der Zeit etwas wärmer werden.

Die Auflösung des hellen und farbstarken Displays liegt bei 2.880 x 1.440 Pixel, also 1.440 x 1.440 je Auge. Das entspricht dem Niveau der anderen Brillen, lediglich das teurere Spitzenmodell Samsung Odyssey versammelt etwas mehr Pixel am Panel.

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Angesteckt wird es über ein vier Meter langes Kabel, das vom Vorderteil seitlich mit einem Clip über den Bügel geführt wird und einen HDMI-Stecker und einen USB-3.0-Stecker mitbringt. Idealerweise sollten wenigstens zwei mal zwei Meter als Bewegungsraum bereit stehen, wenn man die Brille nicht sitzend nutzen möchte. Kopfhörer sind nicht dabei. Es gibt allerdings auf der Brille einen 3,5mm-Klinkenstecker, über den sich Hörer oder aber auch ein Headset anschließen lässt.

Flott, auch ohne Highend-Hardware

Was Beachtung verdient: Windows Holographic setzt keinen Highend-Rechner voraus, um gut zu funktionieren. Der als Testplattform zur Verfügung gestellte Laptop lief mit einer Grafikkarte des Typs Nvidia Geforce GTX 1060M, die der aktuellen Mittelklasse zuzuordnen ist. Zu minimalen Hängern kam es nur ganz selten beim Einstieg in eine App oder dem Wechsel ins Startmenü.

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Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Microsoft der Einstieg in das VR-Segment solide geglückt ist. So wie das System umgesetzt ist, bietet es bereits Mehrwert im Unterhaltungsbereich und auch so manche Applikation, mit der sich etwa die Vermittlung von Lehrinhalten aufwerten ließe. Auch andere berufliche Nutzungsszenarien sind denkbar – so gibt es etwa schon eine Software für virtuelle Hausbegehungen. Auch grundsätzliche Kommunikationsfunktionen sind vorhanden. Als Arbeitsumgebung, bezogen auf Tätigkeiten, die man üblicherweise auf einem Desktoprechner oder Notebook ausführt, ist sie keine Option.

Absolut gelungen ist die einfache Einrichtung, die selbst Neulingen einen schnellen Start ermöglicht. Dem kommt auch zugute, dass man auf externe Sensoren zur Raumerfassung verzichtet und stattdessen auf erprobte Technologie setzt, die der Hololens-Entwicklung entsprungen ist. Vorbei die Zeiten mühseliger Treiber- und Bildschirmkonfiguration.

Mit 450 Euro ist die Preishürde allerdings noch beachtlich. Vor der Anschaffung sollte man sich also sicher sein, regelmäßig in die virtuelle Realität eintauchen zu wollen. Dafür ist dann auch das Acer-Headset eine "okaye", wenn auch nicht umwerfende Wahl. (Georg Pichler, 25.02.2018)