Buwog-Prozess: Eröffnungsplädoyer von Grasser und Anwalt Norbert Wess. Für ihn ist die Anklageschrift von den Staatsanwälten Gerald Denk und Alexander Marchart "Fantasy, Harry Potter, Science-Fiction, Nebelgranatenwerfen, Störfeuer". Ganz links: Karl-Heinz Grasser und Anwalt Ainedter. STANDARD-Karikaturist Oliver Schopf zeichnete auch am dritten Prozesstag live im Gerichtssaal mit.

Foto: Oliver Schopf

Wien – Tag drei im Buwog-Prozess gehörte, sozusagen, Karl-Heinz Grasser. Der frühere Finanzminister ist der Hauptangeklagte im Buwog-Prozess, er soll sich bei der Privatisierung der Bundeswohnungsgesellschaften 2004 und bei der Einmietung der Finanz in den Linzer Terminal Tower bestechen haben lassen. Die Anklage spricht von einem "Tatplan der Viererbande", zu der sie die Lobbyisten Walter Meischberger und Peter Hochegger sowie Immobilienmakler Ernst Plech zählt. All das hatten die Staatsanwälte am zweiten Verhandlungstag dargelegt.

Am Donnerstag hat Grassers Anwalt, Norbert Wess, gleichsam den Gegenangriff gestartet. In seinem rund sechsstündigen Plädoyer, das er mit einer Powerpoint-Präsentation unterlegte, zerlegte er die Anklageschrift in ihre Einzelteile. Hatten die zwei Staatsanwälte ihr prägnantes Plädoyer in Bezug auf Grasser mit der Überschrift "Geld, Gier, Geheimnis" versehen, konterte Wess mit dem Titel "Zeugen, Daten, Fakten".

Aktenwidrigkeiten

In seinen Ausführungen, in denen er sich stets an die Schöffen wandte, ackerte Wess Punkt für Punkt der Anklage durch. Die strotzt in seinen Augen von Aktenwidrigkeiten – soll heißen, die Staatsanwaltschaft gebe Ermittlungsergebnisse falsch wieder oder lasse Material, das Grasser entlasten könnte, schlicht weg, zum Beispiel Zeugenaussagen.

An dieser Stelle nur zwei Beispiele: So habe Hochegger laut Anklage die belastenden Schilderungen von Zeugen Willibald B., der eine Skizze mit den Tatplanbeteiligten erstellt hat, in seiner Aussage nicht gleich zurückgewiesen. "Stimmt nicht", sagte Wess und zeigte die Zitate aus Hocheggers erster Einvernahme.

Entlastendes weggelassen

Der nannte B.s Darstellung eine "Frechheit" und B. selbst "ein Schlitzohr". Auch der Vorwurf, das (erste) Höchstgebot der CA Immo (960 Millionen Euro) sei von Grasser über die Lobbyisten zum Österreichkonsortium gelangt, will Wess mit Zeugenaussagen widerlegen. So habe der spätere Immofinanz-Chef Eduard Zehetner sinngemäß ausgesagt, die 960 Millionen Euro seien in der Branche bekannt gewesen. Auch dieses Zitat werde in der Anklage unterschlagen, Zehetner sei von der Staatsanwaltschaft auch nicht als Zeuge geladen. "So kann man nicht anklagen", fasst Wess zusammen.

Einen Großteil seines Plädoyers widmete der Verteidiger aber der Subcausa Lehman. Ursprünglich war auch die Auswahl der Investmentbank Lehman angeklagt gewesen; das Oberlandesgericht (OLG) Wien hat diesen und einen weiteren Punkt aber aus der Anklage gekippt. Im OLG-Beschluss ist von "Milchmädchenrechnung" der Staatsanwaltschaft ebenso die Rede wie von Unschlüssigkeiten.

Staatsanwaltschaft nicht objektiv

Dass die Verteidigung ihren Finger auf die ohnedies eingestellten Punkte legt, macht aus ihrer Sicht Sinn. Sie will belegen, dass der Staatsanwalt auch bei den aufrechten Vorwürfen schleißig und nicht objektiv gearbeitet habe. Da sei "Hokuspokus" im Spiel, meinte Wess, "die Anklage ist falsch".

Die vielen Details aus dem Riesenakt stellten "starken Tobak" für die Schöffen dar, räumte der Grasser-Verteidiger in seiner stundenlangen Abhandlung zwar ein. Um die Anklage zu erschüttern, sei diese Methode aber zielführend, meinten Kollegen von Wess.

Der legte dann auch noch Handfestes vor: ein Gutachten von Wirtschaftsprüfer Thomas Keppert, der die inkriminierten Zahlungsflüsse für Grasser geprüft hat und zum Schluss kommt, dass alles rechtens sei. (Renate Graber, Oliver Schopf aus dem Großen Schwurgerichtssaal, 14.12.2017)