Wien – Die Einführung des Kinder- oder Familienbonus, der von ÖVP und FPÖ jetzt "Familienbonus plus" genannt wird, ist die umfassendste und weitreichendste steuerpolitische Reform die sich im Regierungsprogramm findet. Pro Kind soll es für Familien eine Steuerentlastung von bis zu 1.500 Euro im Jahr geben, sofern der Nachwuchs das 18 Lebensjahr noch nicht vollendet hat und in Österreich lebt. Laut dem ÖVP-Wahlprogramm, wo die Idee erstmals lanciert wurde, soll diese Maßnahme bis zu zwei Milliarden Euro im Jahr kosten.

In der vergangenen Woche hatte es aus ÖVP-Kreisen noch geheißen, dass der Familienbonus Alleinerzieherinnen über eine Negativsteuer zu Gute kommen könnte. Alleinerzieher sind eine oft armutsgefährdete Gruppe und ihnen fehlt ein Partner, der selbst einen Teil der Gutschrift für das Kind steuerlich nutzen kann. Im Regierungsabkommen ist von einer Negativsteuer aber nichts mehr zu lesen. Im Gegenteil: Dort steht, dass der "Familienbonus Plus nicht negativsteuerfähig ist". Nach diesem Wortlaut wird es auch für Niedrigverdiener nichts geben.

Worum geht es: Der Kinderbonus dürfte als ein Absetzbetrag konzipiert sein. Das heißt, dass sich die Steuerschuld von Arbeitnehmern mit Kindern um die 1.500 Euro verringert. Um den Bonus voll ausschöpfen zu können, bedarf es aber eines entsprechend hohen Einkommens. Bei einer Familie mit drei Kindern würde der Bonus eine Steuerentlastung in Höhe von 4.500 Euro bringen – aber das muss erst verdient werden.

Viele zahlen keine Einkommenssteuern

Ein Drittel der Arbeitnehmer in Österreich verdienen so wenig, dass sie überhaupt keine Einkommenssteuer zahlen. Darunter sind natürlich viele Teilzeitbeschäftigte und damit besonders viele Frauen. Bei Frauen liegt der Anteil jener Beschäftigten, die keine Einkommenssteuer zahlen, laut Daten des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo sogar bei 45 Prozent. Ihnen bringt eine Absetzbetrag also nichts.

In Österreich fallen die meisten Beschäftigten in jene Gruppe, die zwischen 20.000 und 30.000 Brutto im Jahr verdient, zeigt eine Analyse der Statistik Austria. In dieser Kategorie beträgt die im Jahr bezahlte durchschnittliche Einkommenssteuer nach der Veranlagung 1.700 Euro pro Arbeitnehmer. Ein Kinderbonus von 1.500 Euro würde also dafür sorgen, dass die tatsächliche Einkommenssteuer auf gut 200 Euro sinkt. Eine massive Entlastung. Klar ist aber auch: Der Bonus für zweite oder dritte Kinder kann in dieser Verdienstgruppe mangels ausreichender Steuerschuld nur mehr begrenzt bis gar nicht genützt werden.

Altes System soll gekippt werden

Im Gegenzug für den Bonus werden die Anrechenbarkeit von Kinderbetreuungskosten bis zu 2.300 Euro und der Kinderfreibetrag von 440 Euro gestrichen. Kinderbetreuungskosten und der Kinderfreibetrag haben die tatsächliche Steuerschuld immer nur mit dem jeweils geltenden Steuertarif reduziert: Top-Verdiener konnten also am meisten profitiere. Wer in der Tarifstufe 50 Prozent Steuern bezahlte, konnte sich via Kinderbetreuungskosten 1150 Euro Steuern ersparen, 220 via Kinderfreibetrag. Macht insgesamt 1370 Euro pro Jahr und Kind. Alleinerzieher oder Niedrigverdiener hatten auch von diesem Modell keinen oder nur einen kleinen Vorteil

Der Kinderbonus soll stattdessen direkt von der Steuerschuld und nicht von der steuerlichen Bemessungsgrundlage abgezogen werden, was die vollen 1500 bringt.

Der Umfang der beiden noch geltenden Absetzbeträge war daher deutlich eingeschränkter, weshalb die Streichung dieser Budgetposten nur einen kleinen Beitrag zur Finanzierung des Bonus leisten wird.

Das neue System dürfte unterm Strich besonders für die Mittelschicht und die obere Mittelschicht finanzielle Vorteile bringen, der umso größer ausfällt, je weniger derzeit für Kinderbetreuung steuerlich geltend gemacht wurde.

Gewinnbesteuerung der Unternehmen soll sinken

Geplant ist neben dem Familienbonus eine umfassende Reform des Einkommenssteuerrechts, inhaltliche Details dazu fehlen aber. Ab 2018 soll an dem Projekt gearbeitet werden, mit dem Ziel, ab 2020 die Reform gesetzlich umzusetzen.

Ein Fixpunkt dabei ist offenbar, die Gewinnbesteuerung der Unternehmen zu senken. Im Regierungsprogramm wird damit argumentiert, dass alle Nachbarländer bereits niedrigere Steuersätze als Österreich haben – was allerdings nicht ganz richtig ist. Rechnet man die gesamte Gewinnbesteuerung zusammen, beträgt der Steuersatz in Deutschland mehr als 28 Prozent – in Österreich liegt die Körperschaftssteuer (KöSt) bei 25 Prozent. Wie stark die Senkung der Unternehmenssteuern ausfallen soll, ist nicht festgelegt, eine Entscheidung bei diesem Punkt dürft also offenbar auf später vertagt worden sein.

Als Ziel wird eine Senkung der Steuerlast auf nicht entnommene Gewinne genannt.

Im Wahlkampf hatte die ÖVP noch mit der kompletten Streichung der Steuer auf nicht entnommene Gewinne geworben. Die Industriellenvereinigung schätzt, dass eine Halbierung der KöSt bis zu zwei Milliarden Euro kosten würden. Die Einnahmen aus Unternehmenssteuern in Österreich würden damit deutlich sinken, zuletzt lagen die KöSt-Einnahmen des Finanzministers bei 7,6 Milliarden Euro im Jahr.

Mehr Abschreibemöglichkeiten

Unternehmen sollen auch mehr Möglichkeiten bei der Abschreibung von Investitionen bekommen. Bisher gilt, dass Abschreibungen linear erfolgen müssen, also jedes Jahr ein gleich hoher Betrag an Ausgaben für neue Maschinen steuerlich abgesetzt werden kann. Künftig soll es laut Regierung die Möglichkeit geben, "degressiv" vorzugehen, also zu Beginn höhere Abschreibungsbeträge zu nutzen. Der Steuerexperte Werner Doralt hält mehr Flexibilität in diesem Pubkt für begrüßenswert, weil damit ein spürbarer Investitionsanreiz entstehen würden.

Eine raschere Abschreibung, das zeigen zahlreiche Studien, kann Unternehmen zu höheren Investitionen animieren. Dabei spielt ein psychologischer Effekt (der Unternehmer kann sich gleich im ersten Jahr Steuern sparen) ebenso eine Rolle wie ein wirtschaftlicher (das gesparte Geld kann gleich anders investiert werden).

Freuen dürfen sich auch Hotellerie und Urlauber: Die Mehrwertsteuer für Übernachtungen wird wieder von 13 auf zehn Prozent gesenkt, die Erhöhung war erst 2016 von der rot-schwarzen Regierung beschlossen worden. Für Paketsendungen aus dem Nicht-EU-Ausland soll die Mehrwertsteuer bereits ab dem ersten Euro gelten (und nicht erst ab 22 Euro wie derzeit). Das gilt als Forderung der Handelsunternehmen in Österreich, die mit Amazon im Clinch liegen. Die Senkung sollte aber im Rahmen der EU ohnehin beschlossen werden.

Regierung will Aus für kalte Progression "prüfen"

Vertagt wurde offenbar auch eine andere Entscheidung: Ein Ende der kalten Progression, also eine automatische Anpassung der Steuerstufen an die Inflation, soll "geprüft werden". Wenig Neues gibt es bei der digitalen Betriebsstätte, mit der auf Österreich entfallende Gewinne von Unternehmen wie Google im Inland steuerlich erfasst werden sollen. Die Regierung befürwortet die digitale Betriebsstätte, will aber ein einheitliches Vorgehen auf EU-Ebene.

Im Regierungsprogramm finden sich zudem zahlreiche Bekenntnisse zur Entbürokratisierung, Berichtspflichten für Unternehmen sollen gestrichen werden. (András Szigetvari, 16.12.2017)