Betroffen über die Regierungsbildung in Österreich zeigt sich der World Jewish Contress (WJC). Der Kongress, der jüdische Gemeinden in 100 Staaten vertritt, hat Sebastian Kurz (ÖVP) zwar zum Amt des Bundeskanzlers gratuliert- Zugleich drückt er aber "starke Besorgnis" über Kurz' Entscheidung, eine Koalition mit der FPÖ zu bilden, aus. Man sei "erschüttert" über die Regierungsbeteiligung der FPÖ.

"Es ist stark beunruhigend, dass trotz zahlreicher echter Bedenken, die über die FPÖ bekannt sind und ausgesprochen wurden, sie nun eine Position mit ernsthaftem Einfluss innehaben wird, so dass die österreichische Regierung einen echten Schub noch weiter nach rechts bekommt", erklärte WJC-Präsident Ronald Lauder am Sonntag in einer Aussendung.

Obwohl die FPÖ eine Rechtsaußen-Partei sei und freiheitliche Politiker in der Vergangenheit "eine fremdenfeindliche und antisemitische Gesinnung zum Ausdruck gebracht" hätten, sei sie mit den wichtigen Ressorts Inneres, Verteidigung und Äußeres betraut worden, gab Lauder, der 1986/87 zu Beginn der Ära von Kurt Waldheim als Bundespräsident US-Botschafter in Wien war.

Seitens der Regierung in Israel gab es zunächst noch keinen Kommentar zur Koalition, in israelischen Medien wie Haaretz wurde aber kritisiert, dass die "rechtsextreme" FPÖ mit "Wurzeln im Nationalsozialismus" die Ministerien für Äußeres, Inneres und Verteidigung leiten werde. Premier Benjamin Netanjahu hatte ÖVP-Chef Kurz im Oktober zu seinem Sieg bei den Nationalratswahlen gratuliert und ihn nach Israel eingeladen.

Ankara: "Ausgrenzung"

Ein Teil des Koalitionsabkommens sorgte in Ankara für Unmut: Die Ablehnung eines EU-Beitritts der Türkei und die Ankündigung, in der EU zu diesem Zweck Verbündete finden zu wollen, wurde scharf kritisiert. "Diese völlig unbegründete und kurzsichtige Klausel im Programm der neuen Regierung bestätigt leider Befürchtungen, dass deren politische Linie auf Diskriminierung und Ausgrenzung basiert", heißt es in einer am Sonntag veröffentlichten Stellungnahme des türkischen Außenministeriums.

Die Bildung einer Regierung von FPÖ und ÖVP sorgte vor allem bei Rechtspopulisten aus ganz Europa für Euphorie. Trotz des proeuropäischen Bekenntnisses der Koalition sprach etwa Marine Le Pen, Chefin des rechtsextremen französischen Front National (FN), von "großartigen Neuigkeiten". Die Wahlen in Europa könnten zu einem "wahrhaftigen Umbruch" führen und denen, die gegen die Europäische Union seien und sich für ein Europa der Nationen einsetzten, eine Mehrheit verschaffen, sagte Le Pen weiter. Auch der Chef der niederländischen Freiheitspartei PVV, Geert Wilders, sprach von einem "exzellenten" Ergebnis für FPÖ-Chef Strache.

Rechte in Südtirol äußerten sich allerdings zunächst beunruhigt anstatt gratulierend. Die Südtiroler Parlamentarierin von Italiens rechtskonservativer Forza Italia, Michaela Biancofiore, hat sich über die Verankerung der Aussicht auf Doppelstaatsbürgerschaft im Koalitionsvertrag besorgt gezeigt. Damit rücke Österreich de facto zum "Vaterland" der Südtiroler auf. Dies verschiebe die Grenzen Italiens, sagte Biancofiore. Vonseiten der Südtiroler Volkspartei (SVP) begrüßte man die Aussicht auf Doppelstaatsbürgerschaft. Unter der Führung von Sebastian Kurz werde die neue Bundesregierung eine große Offenheit und Sensibilität für Südtirol zeigen, sagte Obmann Philipp Achammer.

"Ethnischer Nationalismus"

Die Doppelpass-Frage wird auch im italienischen Außenministerium mit Sorge beobachtet. Benedetto Della Vedova, Staatssekretär im italienischen Außenministerium, warnte vor der Gefahr eines "ethnischen Nationalismus" in Österreich. "Das, was aus Wien ertönt, ist keine europafreundliche, sondern eine nationalistische Musik", kommentierte er.

"Die Staatsbürgerschaft auf ethnischer Basis zu gewähren, hätte äußerst gravierende Folgen zum Beispiel im Balkan-Raum. Dies würde zum Wiederaufflammen territorialer Forderungen führen, was das friedliche Zusammenleben der Länder auch im EU-Raum beeinträchtigen würde, wo es Bürger verschiedener Kulturen und Sprachen gibt", betonte Della Vedova auf Facebook.

Thema Brenner

"Wenn die extreme Rechte an die Regierung kommt, ist das nie eine gute Nachricht", sagte Italiens Staatssekretär für Europafragen Sandro Gozi. Er befürchtete, dass das Thema Grenzkontrollen am Brenner wieder zum Spannungsfaktor zwischen Italien und Österreich werden könnte. Der Brenner sei im österreichischen Wahlkampf lange quasi als "Geisel" genommen worden. "Ich hoffe, dass die Wahlkampftöne sich nicht in den Handlungen der neuen Regierung widerspiegeln werden." (maa, APA, 17.12.2017)