In der Vorweihnachtszeit mit der Straßenbahn an den äußersten Rand von Wien zu fahren hat etwas Romantisches. Spätestens aber, wenn man in Simmering vor einer riesigen früheren Textilhalle steht, in der ein neues Megarestaurant eröffnet hat, ist es vorbei mit verklärter Romantik. Das Lokal der niederländischen Franchisekette Watertuin ist eine Fressmeile, so groß wie ein Baumarkt. Auf 2.500 Quadratmetern können Gäste an unterschiedlichen Stationen essen und trinken, so viel sie wollen.

Im Hintergrund läuft die Stoppuhr

Mit einem gemütlichen Abendessen hat das wenig zu tun, aber darum geht es auch gar nicht. Reden oder SMS schreiben sollte man hier ohnedies unterlassen – schließlich läuft die Stoppuhr im Hintergrund. Gezahlt wird nämlich nicht nach Portionen oder Gewicht, sondern nach Zeit. Je länger man sich aufhält, desto teurer wird es. Ein Paradies für Schnell- und Vielesser. Getränke sind ebenfalls inkludiert. Kurz vor dem Aufsperren wartet bereits eine Runde gutgelaunter hungriger Männer, die heute hier ihre Weihnachtsfeier haben.

17 Uhr: Die Türen öffnen sich. Der Mitarbeiter fragt, wie lange man bleiben möchte. Gute Frage – zwei Stunden sollten reichen (35 Euro). Die Herrenrunde kümmert das nicht, ihr Arbeitgeber scheint den Abend zu bezahlen.

Sushi gibt es in gewohnter Buffet-Qualität.
Foto: Alex Stranig

17.05 Uhr: Beim Rundgang durch das Lokal wird einem die Größe erst bewusst. An 13 Stationen werden unterschiedlichste Speisen angeboten, und man weiß nicht, worauf man sich zuerst stürzen soll. Gut, erst einmal einen Sitzplatz finden – es gibt immerhin 1.000 davon.

17.10 Uhr: Am Asia-Buffet darf bei Frühlingsrollen, Gyozas, Chicken-Nuggets (asiatisch?) und anderen Convenience-Klassikern zugelangt werden. Und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass hier großer Andrang herrscht. Sushi bekommt man in gewohnter Buffetqualität.

17.25 Uhr: Das Buffet mit österreichischen Klassikern sieht im Vergleich dazu traurig aus. Den hungrigen Herrn an der Essensausgabe dürfte der Anblick des trostlos trockenen Schnitzels und des von Haut überzogenen Gulaschs nicht stören. Ständig die Zeit im Nacken, zuzelt er schon im Gehen am Schwartl des Schweinsbratens. Wurst- und Semmelknödel geraten leider sehr trocken und machen wenig Freude.

Pizza darf selbst belegt und in den Ofen geschoben werden.
Foto: Alex Stranig

17.40 Uhr: Also auf nach Italien. Pizzen dürfen mit allerhand Schnittwurst und Dosengemüse selbst belegt und in den Pizzaofen mit Förderband geschoben werden. Geschmacklich gelingt die Pizza überraschend okay. Außerdem darf man den Entertainmentfaktor nicht außer Acht lassen.

Hummer werden gratiniert mit Sauce Hollondaise angeboten.
Foto: Alex Stranig

17.55 Uhr: Auch den Hummer darf man selbst in den Ofen schieben und darauf warten, dass er als gratiniertes Gericht auf der anderen Seite wieder herauskommt. Die paar Minuten kommen einem ob des Zeitdrucks wie Stunden vor. Der ewig am Eis liegende Hummer schmeckt an diversen Hotelbuffets auch nicht besser oder schlechter.

18.10 Uhr: Um zu merken, dass der Burger nicht einmal mit jenen aus amerikanischen Fastfood-Ketten mithalten kann, muss man kein Gourmet sein. Das zu Tode gebratene Fleisch wird mit einer Scheibe abgepacktem Schmelzkäse getoppt. Aber auf den Convenience-Gott ist auch hier Verlass: Frittierte Beilagen gelingen hervorragend.

T-Bone Steaks warten darauf, durchgebraten zu werden.
Foto: Alex Stranig

18.25 Uhr: Der nette Mitarbeiter ist so freundlich und brät einem das T-Bone bis zur Unkenntlichkeit. Das Fleisch ist ziemlich durchzogen, aber wenigstens nicht übermäßig gewürzt. Der nötige Tagesbedarf an Glutamat wurde ohnehin bereits an den anderen Buffetstationen gedeckt.

18.40 Uhr: Auf dem Weg zum Dessertbuffet fällt der Blick in die offen einsehbare Tiefkühltruhe, in der es sich allerhand Abgepacktes vom Großmarkt gemütlich gemacht hat. Gut, heute also kein Apfelstrudel. Dann schon lieber die undefinierbare Creme, die sorgfältig in kleine Gläschen gefüllt wurde und den Anschein von Selbstgemachtem erwecken soll. Pastel de Nata sind brav aufgebacken und schmecken, wie sie eben schmecken, wenn man sie im Großmarkt kauft.

18.55 Uhr: Rettung naht – in Form von Kanisterpunsch aus dem Riesenspender. Noch schnell einen Schluck nehmen, bevor man zur Kasse eilt und überpünktlich wieder auscheckt.

19.05 Uhr: Den Punschgeschmack noch am Gaumen, formuliert man auf der Heimfahrt in der Straßenbahn bereits leise seinen Neujahrsvorsatz für 2018. (Alex Stranig, 19.12.2017)

1000 Sitzplätze und 13 Buffet-Stationen findet man in dem Restaurant.
Foto: Alex Stranig

Watertuin
Etrichstraße 23
1110 Wien
Preise von 10 Euro für 1/2 Stunde (Mo-Fr Mittag) bis 50 Euro für 4+ Stunden (Fr-So & Feiertage Abend)
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