Sechs Seiten in einem 182-Seiten-Kompendium zur geplanten Regierungsarbeit bis 2022 sind wenig und viel zugleich. Wenig, wenn man bedenkt, dass ohne Energie buchstäblich nichts geht und Klimaschutz ohne radikalen Bruch mit bisherigen Gewohnheiten scheitern muss.
Auf Seite 175 des Regierungsprogramms von ÖVP und FPÖ ist zwar das Ziel für die Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien am nationalen Gesamtverbrauch festgeschrieben; Strom soll bis 2030 (national bilanziell) "zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen" kommen. Eine Wegbeschreibung, wie man Strom aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasserkraft anteilig von derzeit 70 auf 100 Prozent abheben soll, fehlt.
Verglichen mit dem Programm der Vorgängerregierung sind die sechs Seiten "Energie" viel. 2013 war das Thema SPÖ und ÖVP zwei bedruckte Seiten wert – "Sichere Energieversorgung für Österreich" lautete die Überschrift. Im überarbeiteten Regierungsprogramm der rot-schwarzen Koalition vom Jänner ist das Kapitel "Energie und Nachhaltigkeit" auf eineinhalb Seiten geschrumpft.
Tauziehen im Hintergrund
Zumindest gab es darin für einzelne Punkte zeitliche Vorgaben: Für die kleine Ökostromnovelle, die neben der Auflösung des Staus bei Windkraftprojekten auch den Fortbestand halbwegs gut aufgestellter Biogasanlagen sichern sollte, war ein Beschluss spätestens im März 2017 geplant. Gedauert hat es ein paar Monate länger.
Der Beschluss der großen Ökostromnovelle, die von Einspeisetarifen weg und hin zu einem Prämien- bzw. Ausschreibungsmodell führen sollte, war für Dezember vorgesehen. Neuwahlen, aber auch das Tauziehen verschiedener Interessengruppen im Hintergrund haben das Vorhaben vereitelt.
Integrierte Klima- und Energiestrategie
Aus einer integrierten Klima- und Energiestrategie, wie sie SPÖ und ÖVP noch vor dem Sommer beschließen wollten, ist ebenfalls nichts geworden; sie soll nun von Türkis-Blau in Schrift gegossen und umgesetzt werden. Ob mit mehr Verve, wird man sehen. Denn alles, was schwer umsetzbar zu sein scheint, wurde im Regierungsprogramm ausgespart.
Wenn man Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber fragt, was die neue Regierung in Sachen Energie als Erstes angehen sollte, kommt wie aus der Pistole geschossen: "Eine langfristige, konsistente Strategie – und dann das Ökostromgesetz danach ausrichten."
Erst kürzlich haben sich auf Initiative der Umweltorganisationen Global 2000 und WWF 242 österreichische Konzerne und Betriebe in einem Appell an die künftige Bundesregierung gewandt und eine verbindliche Gesamtstrategie für Klima und Energie reklamiert. Dies sei notwendig, um teure Fehlinvestitionen zu vermeiden.
Handlungsbedarf zuhauf
Experten wie Stefan Schleicher, der unter anderem als Konsulent beim Wirtschaftsforschungsinstitut in Wien tätig ist, zweifelt nicht daran, dass eine Strategie vorgelegt werden wird. "Die Frage ist nur, auf welchem Niveau."
Handlungsbedarf gäbe es zuhauf, etwa bei der Mineralölsteuer, insbesondere bei der Begünstigung des Diesel. Da hat der frühere Nationalratspräsident, Präsidentschaftskandidat und nunmehrige Infrastrukturminister Norbert Hofer (FPÖ) aber bereits Grenzen abgesteckt. Man werde nichts tun, was Autofahrer verärgert, sagte er. Von einer Steuerreform mit Anreizwirkung, vulgo Ökosteuer, findet sich ebenfalls nichts im aktuellen Programm. Das widerspräche dem Postulat der Regierung, keine neuen Steuern einzuführen, dafür bestehende zu senken.
Kein Wort auch zur Wohnbaufinanzierung, in die pro Jahr rund zwei Milliarden Euro fließen, deren Treffsicherheit zu wünschen übrig lässt. Bereits Vereinbartes, aber noch nicht Realisiertes bleibt ebenfalls unerwähnt, etwa dass der Energieverbrauch bis 2020 von 1100 auf 1050 Petajoule gesenkt werden soll. Bis jetzt liegt Österreich um zehn Prozent darüber und die Wahrscheinlichkeit, doch noch eine Punktlandung bis 2020 hinbekommen, tendiert gegen null.
Irgendwie verständlich, dass man nicht hinschreiben will, womit man vorgeführt werden kann. (Günther Strobl, 19.12.2017)