Wien – Eine unerbittliche Sehnsucht quält Ellida: Jeden Morgen muss sie in den Fjord steigen, die Dorfbewohner nennen sie die "Frau vom Meer"; hypnotisch zieht das wilde Wasser sie an – und macht Ellida dennoch krank. Henrik Ibsen schuf mit Die Frau vom Meer, die nun am Max-Reinhardt-Seminar als gelungene Diplominszenierung zu sehen war, eine eigene Version der Volkssage über die "Robbenfrau" – eine junge Selbstmörderin, die sich ins Wasser stürzt und in das Fell einer Robbe schlüpft.

Als sie einige Zeit später ein Mann an Land beobachtet, ihr das Robbenfell nimmt und sie zur Hochzeit drängt, verliert sie ihre Freiheit, ins Meer zurückzukehren. Auch Ellida fühlt sich als Gefangene: Die Ehe mit Wangel ist von Unverständnis geprägt. Bolette, seine Tochter aus erster Ehe (Lisa-Maria Sommerfeld), steht ratlos dazwischen. Um die Stimmung seiner Frau zu heben, lädt Wangel den alten Freund und Lehrer Arnholm (Philipp Auer) ein.

Seine Anwesenheit macht das Leugnen der Trostlosigkeit allerdings erst recht unmöglich. Als Arnholm Bolette einen Heiratsantrag macht, sieht diese ihre Chance der Tristesse zu entkommen.

Ruhe durch Unruhe

Regisseurin Maria Sendlhofer verzichtet auf Wasserbecken, ihr Meer ist aus Daunenfedern gefertigt. Bei jedem Schritt sinken die Figuren in weiche Matratzen ein. Sie werfen auch lange Schatten an die Wand, wodurch das Schauspiel parallel dazu zum Schattenspiel wird. Mick Riesbeck verleiht Wangel mit seiner ruhigen Stimme die nötige Unruhe, fast wirkt er näher am Nervenzusammenbruch als seine Gattin.

Alina Ilonka Hagenschulte gibt eine Ellida, die nur selten die Fassung verliert. Bei "Es zieht mich ins Unbekannte. Das ist das Grauenvolle – das ist die Macht des Meeres" dann aber doch. Denn wahrlich grauenvoll sei nur, was uns abschreckt und zugleich anzieht. Wenn Ellida unruhig wird, ist da plötzlich ein Fremder (Max Gindorff). Er ist die Melancholie in Gestalt eines vor langer Zeit geliebten Seemanns; er reicht ihr die Hand, doch am Ende geht Ellida nicht mit. (Eva Walisch, 18.12.2017)