Eminem legt sich auf seinem Album "Revival" mit Donald Trump an. "Fair enough", wie man bei ihm in Detroit sagt. Die Musik zum Zwist ist aber eine einzige Katastrophe.

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Wien – Es beginnt mit einem seltsamen Geständnis. Eine Frau singt, sie gehe auf Wasser, sei aber nicht Jesus, denn sie betrete es nur, wenn es gefroren sei. Dazu drückt ein neuzeitlicher Richard Clayderman die Tasten eines Klaviers. Die Dame heißt Beyoncé, und der Typ, der in diesen zart religiös angehauchten Song bellt, ist Eminem. Man hört, wie er Textblätter zerreißt und schimpft – in einer Mischung aus Zorn, Autoaggressivität und jenem Mitteilungsbedürfnis, das Rappern eigen ist.

Mit dem Lied Walk on Water eröffnet Eminems neues Album Revival. Der Begriff besitzt schon eine religiöse Schlagseite: "Revival" kann Wiederbelebung bedeuten – Eminem hat seit vier Jahren kein Album veröffentlicht – oder eine religiöse Erweckung beschreiben. Nun wird der erfolgreichste Rapper der Welt in absehbarer Zeit wohl kein religiöser Mensch werden, auf einer Mission befindet er sich dennoch.

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Denn spätestens seit Juni ist es der Welt bekannt, dass der 45-jährige Eminem an Donald Trump kein gutes Goldhaar lässt. Damals veröffentlichte er ein Video, in dem er sich gegen den Donald in Rage reimt. Vor ein paar seiner Homies, die als furchterregende Dekoration im Hintergrund in einer Parkgarage lehnen, lässt er eine The Storm genannte Tirade gegen den Potus ab, den President of the United States. Über 40 Millionen Mal wurde das Video im Netz aufgerufen.

Diese ohne Musik vorgetragene Textwurst besaß in ihrer schäumenden Empörung eine Überzeugungskraft, die man auf Revival vergeblich sucht. Dabei ist die Paarung Eminem versus Trump eigentlich Dynamit: Auf der einen Seite der mit dem goldenen Löffel im Mund geborene politische Rüpel, auf der anderen ein aus dem Scherbenviertel eines Flyover-State kommende Rapper, der mit dem von ihm so eloquent formulierten Zorn des White Trash berühmt wurde. Also mit derselben Energie, die Donald Trump im ländlichen Amerika auf sich bündeln konnte und die ihm die Präsidentschaft eingebracht hat. Sogar die ordinäre Sprache eint die beiden, wenngleich Eminem deutlich talentierter ist als der mit 140 Zeichen sein Auslangen findende Trump. Das böte eigentlich genug Reibungsfläche für ein knisterndes Album.

Gichtfinger am Pult

Denn dem als Marshall Mathers geborenen Musiker ist Widersprüchlichkeit in die Vita eingeschrieben: Ein Weißer wird mit einer ursprünglich afroamerikanischen Kunst der erfolgreichste Rapper der Welt: 170 Millionen Alben soll er seit seinem Auftauchen Ende der 1990er-Jahre verkauft haben. Geboren in Missouri, aufgewachsen in dem zum Sinnbild des industriellen Niedergangs gewordenen Detroit, gelang ihm mit einer Mischung aus trotzigem Underdog-Stolz und gerapptem Irrsinn eine beispiellose Karriere.

Und man nimmt Eminem seine Erregung ab, wenn er sich über die rassistischen und dummen Wortspenden Trumps erregt. Doch was er ihm auf Revival entgegensetzt, grenzt an Selbstbeschädigung. Derart klobige, bar jeder Eleganz produzierte Beats hat man selten gehört. Dabei saßen mit Dr. Dre und Rick Rubin zwei Großwesire des Fachs an den Reglern. Doch die Ergebnisse klingen, als wären die beiden frühzeitig mit Gicht geschlagen.

Das musikalische Geklotze nimmt beinahe groteske Züge an, wenn im Titel Remind Me das ausgelutschte Gitarrenriff von Joan Jetts I Love Rock 'n' Roll auftaucht. Warum nicht gleich Smoke on the Water von Deep Purple? Oder was Feines von Alkbottle? Eminem wirkt in dem Song, als hätte sich Ronaldo in die Bezirksliga verirrt.

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Dazu kommt die obligatorische Ansammlung an Superstargästen. Mit Alicia Keys verbeißt er sich in Like Home in Trumps dünne Waden, doch das dazugebaute schwülstige Klaviergeklimper klingt wie einem Hollywood-Blockbuster entnommen, in dem Roland Emmerich den Planeten wieder einmal vor Außerirdischen retten lässt. Und mittendrin trägt Eminem mit dickem Halse seine Suada vor, in der er den Donald einen Nazi heißt.

Er mag in der Sache recht haben, sein Zorn echt sein. Die Musik, die er sich auf Revival unterjubeln ließ, ist eine einzige Katastrophe. Barocke Blähungen aus Synthieburgen, Schmalz und Pathos – sekündlich rechnet man mit Bono von U2; doch der hatte offenbar gerade keine Zeit, um seinen Senf auch noch abzudrücken. Ob Eminem mit diesem Album politisches Gewicht zulegen kann? Das lässt sich wohl nur in Bundesstaaten wie Kentucky oder Alabama überprüfen. Musikalisch ist es ein Debakel. (Karl Fluch, 19.12.2017)