STANDARD: Ist das Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ eine schöne Bescherung?
Wallner: Es ist Reformstimmung und Aufbruch spürbar. Wir sollten diesen Weg unterstützen und der Regierung diese Chance jetzt einräumen. Das Regierungsprogramm ist eine gute Basis, jetzt gilt es, die Regierung erst einmal arbeiten zu lassen.
STANDARD: Ihre Koalitionspartner, die Grünen, sagen, das Programm sei zentralistisch und autoritär. Stimmen Sie zu?
Wallner: Ich glaube, diese Reaktion war bereits vorprogrammiert, noch bevor man das genaue Regierungsprogramm gekannt hat. Von dem her möchte ich das gar nicht näher kommentieren. Von einem zentralistischen oder autoritären Regierungsprogramm kann aber keine Rede sein. Einem solchen hätte ich niemals zugestimmt.
STANDARD: Wo stärkt es die Länder, wo schwächt es?
Wallner: Ich glaube, so pauschal kann man das nicht sagen. Ich gehe jedenfalls davon aus, dass auch künftig auf Augenhöhe mit den Ländern zusammengearbeitet wird. Wir sind jedenfalls reformbereit und können uns zum Beispiel eine Neuordnung der Kompetenzen vorstellen. Das bedeutet eine Bündelung und Entflechtung von Zuständigkeiten. Nach meinem Verständnis bedeutet das eine Stärkung der Länder.
STANDARD: Die Kompetenzen sollen so verteilt werden, dass sich Bund, Länder, Gemeinden nicht gegenseitig blockieren können. Ist das klug?
Wallner: Es ist bekannt, dass ich grundsätzlich für eine Steuerautonomie der Länder eintrete. Jeglichen Schritt in diese Richtung – sprich mehr Autonomie, mehr Kompetenzen für die Länder – begrüße ich. Wenn der Weg in diese Richtung geht, ist das sicherlich ein kluger Schritt.
STANDARD: 15a-Vereinbarungen mit den Ländern will man evaluieren. Was bedeutet das in der Praxis?
Wallner: Das bedeutet eine umfassende gemeinsame Prüfung auf politische Inhalte und Finanzierungsformen.
STANDARD: Die Bundesregierung will die Reduktion der Mindestsicherung erzwingen. Lassen Sie sich das bieten?
Wallner: Ich glaube, wir haben mit der Reform in Vorarlberg eine gute Lösung für die Mindestsicherung gefunden. Grundsätzlich sind wir aber immer gesprächsbereit für eine österreichweite Lösung. Bei einer allfälligen bundesweiten Grundsatzgesetzgebung muss allerdings klar sein, dass regionale Unterschiede berücksichtigt werden. Es muss jedenfalls Spielräume für die hohen Wohnungskosten im Westen geben.
STANDARD: Vorarlberg war immer strikt gegen die Zusammenlegung der Krankenkassen. Sind sie umgefallen?
Wallner: Wir haben uns grundsätzlich nie gegen eine Reform der Krankenkassen gewehrt. Wir haben immer gefordert, dass wir eine Budgetautonomie haben, die Planung im Land bleibt und die Rücklagen nicht angegriffen werden. Das alles bleibt auch im jetzigen Reformvorschlag erhalten. Von einem Umfallen kann also nicht die Rede sein.
STANDARD: In der Bildungspolitik geht es rückwärts. Was bedeutet das für die in Vorarlberg angepeilte Modellregion?
Wallner: Mit "rückwärts" verwenden Sie den Sprachgebrauch der Opposition. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass Kinder von den besten Lehrkräften vom Kindergarten weg frühestmöglich unterstützt und gefördert werden. Wenn dies optimal geschieht, ist eine Diskussion über eine Schulform zweitrangig. Auch wenn es jetzt für unsere Modellregion natürlich nicht einfacher wird, werden wir unseren geplanten Weg im Prozess weiter fortsetzen. Eine erste Evaluation des Projekts ist für das Jahr 2021 geplant. Eine eventuelle Implementierung vor dem Jahr 2025 macht aufgrund vieler bis dahin zu klärender Fragen keinen Sinn. Bis dahin fließt noch viel Wasser den Bach hinunter. Auch auf Bundesebene.
STANDARD: Was halten Sie vom Ausbau der Sonderschulen, wo bleibt die Inklusion?
Wallner: Das kann ich so aus dem Regierungsprogramm nicht herauslesen. In Vorarlberg machen wir jedenfalls gute Fortschritte bei der Inklusion von Kindern im Schulwesen. (Jutta Berger, 19.12.2017)