Verena Schneider und Christoph Schüller haben dem Weinviertel ein Bistro mit sehr beachtlicher Küche geschenkt.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die Selchfleischsuppe mit zart bissfestem Wurzelgemüse, frischen Kräutern und mollig zartem Weizen.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Der Bürgermeister von Mailberg war zu Recht alarmiert, als Christoph Schüller und seine Lebensgefährtin Verena Schneider den Pachtvertrag im Keller des örtlichen Schlosshotels vor mehr als einem Jahr auslaufen ließen. Immerhin hatten die beiden Gastronomen den beschaulichen Ort über Jahre mit einer Küche bereichert, wie man sie in der Wirtshauswüste des nördlichen Weinviertels weit und breit nicht finden konnte. Es zeugt von durchaus unüblichem Weitblick, dass er sich nach Kräften dafür einsetzte, die beiden im Ort zu halten. Und ihnen eine frühere Greißlerei andiente, welche die beiden zu einem schmucken Bistro mit offener Küche samt nobel hergerichtetem Extrazimmer (und sogar ein paar Gastzimmern) umbauten. Im Hofgarten, wo ab Frühling auch gegessen werden kann, wurde ein Teich gegraben, in dem sich erste Flusskrebse tummeln.

Von lokalen Produzenten

Auch sonst haben die beiden einen bemerkenswert konsequenten Fokus auf lokale Spitzenprodukte. Die längst auch in Wien geschätzten Wiesenläufer-Hendln von Roman Haslinger stammen ebenso wie dessen Freilandschweine aus dem Nachbarort. Im nahen Maustrenk haben Schneider und Schüller eine Kleintierzüchterin aufgetan, die ihnen Wachteln, Perlhühner und Enten hält. Und Wild kommt überhaupt von Jägern aus dem Dorf. Beim Fisch hält Schüller sich in durchaus mutigem Gegensatz zur "regionalen" Augenauswischerei vorzugsweise an Wildfang – und da kommt Qualität halt immer noch aus dem Meer, so man sich nicht zum exklusiven Kreis der Wildfisch-Bezugsberechtigten der Bundesforste zählen darf und der Mär vom allgegenwärtigen Neusiedler-See-Zander nicht aufsitzen will.

Die Küche ist, wie alles im Lokal, nagelneu – bis hin zum Holzofen. Die Karte spannt den Bogen von Klassikern der heimischen Küche wie Milzschnittensuppe (besonders gut!) und Krautfleisch (ziemlich oberslastig) über gutbürgerliche Standards wie Rehragout mit gebratenen Heurigen oder Saltimbocca bis zu vergleichsweise hochgestochenen Gerichten. Knackig blanchierter, langstieliger Brokkoli ist so eine Vorspeise, eine dezidiert rauchige Salsa aus Buttermilch, Walnüssen und Distelöl verleiht dem Gemüse Körper. Kurz gebratene Entenleber bekommt sautierte Nashi-Birne und eine Sauce aus frisch eingemachten Cranberrys zur Seite gestellt, die mit entschlossener Säure den nötigen Kontrapunkt zur aromatischen Tiefe der Leber und der üppigen Frucht der Birne herstellt – sehr gut.

Topinamburcremesuppe mit Radicchio und Croutons ist wunderschön anzusehen, auch hier aber wäre weniger Obers eindeutig mehr gewesen. Dafür ist die Selchfleischsuppe (siehe Bild), trotz gebratenen Specks, eine duftige und keineswegs derb gewebte Komposition, mit zart bissfestem Wurzelgemüse, frischen Kräutern und mollig zartem Weizen. Dass sie als Verbeugung vor der Tiroler Heimat des Kochs verstanden werden darf, unterstreicht das dazu gereichte Schüttelbrot.

Reh und Meer

Rosa gebratener Rehschlögel gerät zart und dank entschlossenen Anbratens auch ideal saftig, dazu gibt es eine cremige, vom Aroma gedörrter Steinpilze durchwebte Polenta – und richtig matschiges Rotkraut, schade. Seeteufel wird an der Mittelgräte saftig gebraten, das Fleisch ist, auch an einem Sonntagabend, von tadelloser Kraft und Frische, dazu gibt's gebratene Paprika, Safransauce und al dente gegarte Sepia-Pasta – wer nicht gerade aus der großen Stadt kommt, weiß derlei sonnige Reminiszenzen zu schätzen. Die Weinkarte konzentriert sich einstweilen auf die Gewächse der Region. Es lohnt aber nachzufragen – die eine oder andere gereifte Köstlichkeit wartet darauf, erlöst zu werden. (Severin Corti, RONDO, 22.12.2017)

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