Wien – Der Kampf um die Cookies sei nicht nur ein Kampf, sondern bedeute möglicherweise die Sprengung vieler Mediendienste, da sie in ihrer Existenz erschüttert würden, warnt die Medien- und Werbewirtschaft seit Monaten. Die Branche läuft gegen die sogenannte E-Privacy-Verordnung Sturm, die zum zwecke des Datenschutzes im Mai 2018 EU-weit in Kraft treten soll und die Nutzung sogenannter Cookies und Tracking-Instrumente weitreichend einschränken würde. Dass der Zeitplan hält, bezweifeln mittlerweile viele: Zu viele Fragen seien noch offen, das Ringen in Deutschland um eine neue Regierung könnte das Vorhaben weiter verzögern.

Zum Einsatz kommen Cookies in der Werbewirtschaft, um das Surfverhalten von Internetnutzern zu verfolgen und ihnen personalisiert Werbung zu liefern. Das Ausspielen von Werbung wäre zwar weiterhin möglich, aber mit erheblichen Streuverlusten verbunden, was zu einer Entwertung führe, monieren Digitalexperten.

Verhandlungen laufen noch

Die E-Privacy-Verordnung wurde vom EU-Parlament bereits abgesegnet, sie ist aber noch Gegenstand von Verhandlungen mit dem EU-Rat. In der kritisierten Fassung müssten Nutzer ausdrücklich ihr Einverständnis geben, sobald ihre Spuren mit Cookies erfasst werden. Laut dem Vorschlag der EU-Kommission sollen User etwa schon in den Browsereinstellungen ihre Zustimmung verweigern können.

Regierungsprogramm: E-Privacy-Ausnahmeregelung

Eine Studie im Auftrag der deutschen Regierung kam kürzlich zu dem Schluss, dass die zu erwartenden Einnahmenverluste existenzbedrohend für alle Onlineangebote sein könnten, die sich "maßgeblich über Displaywerbung finanzieren". In Österreich erhalten Branchenvertreter jetzt von der neuen Regierung Rückenwind. Schwarz-blau hat im Regierungsprogramm nämlich angekündigt, für Mediendienste eine "E-Privacy-Ausnahmeregelung von der europäischen Datenschutzgrundverordnung anzustreben, "um keinen Wettbewerbsnachteil gegenüber US-Onlineunternehmen zu schaffen".

Die Österreich-Sektion des Interactive Advertising Bureau (IAB) begrüßt die geplante Ausnahmeregelung, sagt Vizepräsidentin Alexandra Vetrovsky-Brychta auf STANDARD-Anfrage, denn: "Die E-Privacy-Verordnung in ihrer aktuellen Form bringt einen erheblichen Wettbewerbsnachteil für heimische Medien- und Onlineangebote". Was Vetrovsky-Brychta auch begrüßt, sind weiter Maßnahmen, um große Konzerne wie Google und Facebook zur Kasse zu bitten und Österreichs Medienunternehmen zu stärken – etwa die Einführung der digitalen Betriebsstätte. Sie solle mehr "Steuerfairness" garantieren.

Studie: Gravierende Auswirkungen

Laut der deutschen Studie, die das Wissenschaftliche Institut für Infrastruktur (WIK) im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie in Deutschland durchgeführt hat, ergäben sich durch die E-Privacy-Verordnung erhebliche Nachteile. Von Umsatzrückgängen bis zu 70 Prozent ist die Rede, was viele Onlineangebote existenziell gefährden würde.

Basierend auf der Schätzung der EU-Kommission, dass rund elf Prozent der Nutzer eine Einwilligung zu Cookies erteilen, würden in Deutschland die digitalen Werbebudgets sofort um ein Drittel sinken. Betroffen wären in erster Linie Display- und Affiliate-Werbeformate und zu nur zu einem geringen Teil Suchwerbung und Reklame in sozialen Netzwerken, heißt es: "Mit der E-Privacy-Verordnung riskiert Europa letztlich von entscheidenden Innovationen, die über die wirtschaftliche Zukunft Europas mitentscheiden, ausgeschlossen zu sein."

Mittel- bis langfristig würden Werbebudgets in geschlossene Log-In-Systeme wandern. Die Conclusio: "Die zu erwarteten Einnahmeverluste können für alle Online-Angebote existenzbedrohend sein, die sich maßgeblich über Displaywerbung refinanzieren. Das betrifft insbesondere Verlage und andere Inhalteanbieter. Besonders stark werden die kleineren Anbieter betroffen sein, die nicht über eine starke Marke verfügen." (red, 20.12.2017)