Dublin – Unmittelbar vor Weihnachten müssen Passagiere der irischen Fluggesellschaft Ryanair doch noch mit streikbedingten Flugausfällen und Verspätungen rechnen. Die Vereinigung Cockpit (VC) hat für diesen Freitag (22. Dezember) zwischen 05.00 Uhr bis 09.00 Uhr alle angestellten Ryanair-Piloten an den zehn deutschen Basen zu einem Warnstreik aufgerufen.

Betroffen sind nach ersten Einschätzungen 16 Flüge mit rund 3.000 Passagieren. Es wäre der erste Streik in der Geschichte der 1985 gegründeten Fluggesellschaft. An den Weihnachtsfeiertagen soll aber nicht gestreikt werden.

Zuvor waren nach Darstellung der VC erste Sondierungsgespräche mit dem Unternehmen in Dublin gar nicht erst zustande gekommen. Ryanair habe am Mittwoch zwei der fünf anwesenden VC-Tarifkommissionsmitglieder vor Ort abgelehnt und damit die gewerkschaftliche Autonomie missachtet, berichtete VC-Präsident Ilja Schulz. Die Verhandlungen seien damit gescheitert. Die beiden abgelehnten Verhandler stehen mit Ryanair in arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzprozessen.

Gesprächsrunde

"Es hat sich bei Ryanair nichts geändert am Managementstil und der Einstellung gegenüber den Rechten der Arbeitnehmer", erklärte Schulz. Man lasse sich von Ryanair nicht vorschreiben, mit wem sie verhandeln wollen. Dies gelte auch für die vom Unternehmen angebotene erneute Gesprächsrunde am 5. Jänner in Frankfurt. "Ryanair spielt weiter auf Zeit und verhindert so den Einstieg in Tarifverhandlungen", sagte der VC-Verhandlungsführer Ingolf Schumacher.

Ryanair hatte in der vergangenen Woche die verschiedenen nationalen Gewerkschaften überraschend zu Gesprächen eingeladen und angekündigt, sie als legitime Interessensvertretungen der Ryanair-Piloten anzuerkennen. Die Gewerkschaften hatten daraufhin erste konkrete Streikdrohungen zurückgenommen, um die Gespräche nicht zu belasten.

Die Piloten organisieren ihre Aktivitäten zum Arbeitskampf weiterhin europaweit. Nach Angaben der VC gibt es bereits in Irland, Portugal, Spanien, Italien, Niederlanden, Schweden und Deutschland öffentlich bekannt gemachte Tarifkommissionen.

In Irland hat Ryanair die dortige Gewerkschaft Impact schriftlich als Interessenvertretung anerkannt. Das und der zunächst auf Deutschland beschränkte Warnstreik ändere aber nichts an der internationalen Zusammenarbeit der Gewerkschaften, sagte Schulz. Er erwarte eine sehr lange Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Aktionen in den beteiligten Ländern.

Das Gesprächsangebot hatte Hoffnungen auf eine Abkehr vom strikt anti-gewerkschaftlichen Kurs des Billigfliegers geweckt, der bisher nur mit lokalen Piloten-Komitees an seinen mehr als 80 europäischen Basen verhandelt hatte. Es gab aber weiterhin bei den Gewerkschaften Misstrauen, dass die Fluggesellschaft lediglich mit einer Hinhaltetaktik das lukrative Weihnachtsgeschäft störungsfrei halten wollte.

Die Arbeitnehmervertreter verlangen eine Vielzahl von Verbesserungen in den Arbeitsverhältnissen der rund 4.000 Ryanair-Piloten. Unter anderem stören sie sich an schlecht strukturierten Einsatzplänen, plötzlichen und als willkürlich empfundenen Versetzungen, geringen Fix-Gehältern und dem weit verbreiteten System sogenannter Vertragspiloten.

Die stark wachsende Ryanair hat seit dem Herbst größere Schwierigkeiten, die eigenen Flugpläne abzufliegen. Für den laufenden Winterflugplan wurden wegen Personalproblemen rund 20.000 Flüge abgesagt. Für den kommenden Sommer ist der Zulauf zahlreicher neuer Flugzeuge geplant, für die ebenfalls Crews bereitgestellt werden müssen.

Die Airline hat im Oktober den Manager Peter Bellew von Malaysia Airlines als neuen Organisationschef eingestellt, der insbesondere den Piloteneinsatz reformieren soll. Laut VC will etwa jeder fünfte Pilot die irische Fluggesellschaft verlassen. Das Ryanair-Management versucht, mit zusätzlichen Zahlungen die Piloten an ihren großen Basen zum Bleiben zu bewegen.

380 Piloten

Über den Organisationsgrad unter den Ryanair-Piloten gibt es keine verlässlichen Informationen. Die VC beansprucht für sich, mehr als die Hälfte der rund 380 in Deutschland stationierten Piloten in den eigenen Reihen zu haben. Rund die Hälfte ist fest angestellt.

Gerade Berufseinsteiger wurden laut VC nicht direkt bei Ryanair eingestellt, sondern angehalten, eigene Mini-Gesellschaften nach britischem oder irischem Recht zu gründen und dann ihre Arbeitsleistung als Selbstständige anzubieten. Das Risiko einer Erkrankung werde ebenso auf die Piloten verschoben wie eigentlich vom Arbeitgeber zu zahlende Sozialbeiträge.

In Koblenz untersucht die Staatsanwaltschaft das auch auf deutschen Basen angewendete System. Ryanair hat das Beschäftigungsmodell in den vergangenen Monaten allerdings zurückgefahren und vielen Piloten Angestelltenverträge angeboten, wie VC-Vorstand James Phillips in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" bestätigte.

Grundsätzlich wollen die Gewerkschaften erreichen, dass für jeden Piloten die Sozialgesetze des Landes seiner Basis gelten. Zusätzlich zu den jeweiligen nationalen Tarifverträgen strebe man ein übergeordnetes, europaweites Bezahlsystem für alle Ryanair-Piloten, hatte die Sprecherin der VC-Tarifkommission, Tina Hausmann, vor wenigen Tagen gesagt. (APA, 21.12.2017)