Wegschauen war dieses Jahr keine Option mehr. Die Kampagne #MeToo im Zuge der Enthüllungen über die zahllosen sexuellen Übergriffe, ob in der Filmbranche oder im Sport, bescherte den alten feministischen Kämpfen gegen das Machtgefälle entlang der Geschlechtergrenze so viel Anerkennung wie nie zuvor. Die Liste der prominenten Aktivistinnen gegen sexistische Praktiken, die im schlimmsten Falle in sexueller Gewalt enden, wurde 2017 immer länger – ebenso die Würdigungen gegen Jahresende hin, die den Feminismus endgültig zum Star unter den sozialen Bewegungen machten.

Das Magazin Time kürte die Tabubrecherinnen hinter der #MeToo-Kampagne mit dem Titel "Persons of the Year". Das US-Wörterbuch Merriam-Webster kürte "Feminismus" zum Wort des Jahres, die Suchanfragen zu dem Begriff stiegen um 70 Prozent. Erfolgreiche Blockbuster mit kluger emanzipatorischer Note wie "Wonder Woman" setzten popkulturelle Akzente. Und nicht zu vergessen die Frauenmärsche in den USA, die die Massen für Proteste mobilisieren konnten. Proteste, die allerdings erst 2017 so dringend wie lange nicht mehr erschienen. Und das ist die andere Seite der Medaille.

Augenrollen, noch immer

Denn 2017 war der starke feministische Aktivismus auch eine Reaktion auf eine kräftige Rückwärtsbewegung, die sich etwa mit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten ankündigte. Dieser wartete nicht einmal eine Woche nach seinem Amtsantritt ab, um im Ausland tätigen NGOs, die über Abtreibung informieren, die Gelder zu streichen – Informationen, die für Frauen aus Ländern des Südens mit hohen Müttersterblichkeitsraten lebensrettend sein können.

Mit dem Zugang zur Abtreibung hat man auch in Europa noch immer ein Problem: Im November wurde in Deutschland eine Ärztin, die auf ihrer Website über Schwangerschaftsabbrüche informiert, zu einer Geldstrafe verurteilt. Ein Gesetz aus dem Jahr 1933 verbietet "Werbung" für Abtreibung. Das Verbot aus der Nazizeit kann auch auf die nüchterne Angabe von Möglichkeiten angewandt werden, wie sich zeigte.

Man sollte sich von der momentanen Aufmerksamkeit also nicht zu viel erwarten. Und Feminismus wird wohl auch in Zukunft von Frauen in prekären Arbeitsverhältnissen betrieben werden, nicht von Filmstars oder Spitzenpolitikerinnen. Sie bohren die dicken frauenpolitischen Bretter und ernten dafür oft als einzige Reaktion Augenrollen. Sei es wegen ihres Beharrens auf der Teilung von Sorge arbeit oder wegen ihrer Erforschung der Ursachen von Diskriminierungen.

Diffus gegen "Gender"

Und es ist oft mühsame Arbeit in Projekten, die sich von kleiner zu noch kleinerer Förderung hangeln. In Österreich könnte sich diese Situation verschärfen. Die ÖVP setzt weiterhin auf Traditionalismus, der für Frauen noch nie Gutes gebracht hat. Und die FPÖ poltert seit Jahren gegen feministische Projekte und hetzt gegen die Genderforschung, die subventionierte Gleichmacherei sei. Dabei hat gerade dieses Jahr gezeigt, wie wichtig die Wissensproduktion zu Geschlechterfragen ist.

Dass im vergangenen Jahr mit den Grünen die einzige Partei aus dem Parlament gewählt wurde, die sich klar feministisch deklariert und für eine Verzahnung von Frauen- und Sozialpolitik steht, ist angesichts dieser Regierungsparteien besonders bitter. Denn weder in der FPÖ noch in der ÖVP hat man verstanden, was für viele dieses Jahr so offenkundig wurde: Es muss sich noch sehr viel ändern. (Beate Hausbichler, 29.12.2017)