Man muss nicht über alles streiten. Obwohl man könnte. Wenn zum Beispiel der eine einen Drei-Kilo-Karpfen aus einem Eins-a-Fischteich in Niederösterreich geborgen und in die Küche des anderen in Wien verbracht hat, wenn der Dritte im Bunde dort aber schon mit einer prächtigen Schüssel Erdäpfel-Vogerlsalat parat steht, dann könnte man schon lange darüber diskutieren, wer sich jetzt eigentlich die schönsten Filetstücke des Wassertiers verdient hat. Glücklicherweise steht das Filetstück aber nicht im Mittelpunkt des Interesses der drei Hobbyköche Ingo Pertramer, Florian Holzer und Thomas Nowak, die für den STANDARD drei mehr oder weniger traditionelle Weihnachtsessen gekocht haben.

Erst wurde der Fisch (unschön anzusehen) in drei Teile zerhackt. Dann wurde geteilt: Der Kopf kam in Pertramers Suppe, den Rumpf zerschnitt Nowak in mundgerechte Teile, um ihn zu panieren und zu frittieren, und den Schwanzteil nahm sich Holzer vor, der daraus eine Ceviche mit Fischcrackern zauberte. In knapp zwei Stunden war alles fertig. Wie es sein soll, wenn man am 24. nicht den ganzen Tag in der Küche stehen mag. Zweck der Übung war nicht der Kampf um das beste Stück, sondern das Gegenteil: Die Kochaktion soll die STANDARD-Leser daran erinnern, dass der Fisch, der auf Österreichs Tische kommt, nicht immer aus dem Meer kommen muss.

Ingo Pertramer (Mitte)
Fotograf und Filmemacher, Hobbykoch und Freund des Einmachglases, hat die im ORF gezeigte, mit einer Romy prämierte TV-Serie "Ochs im Glas" initiiert. Seine Motivation bei "Fisch ahoi!": Das Meer braucht eine Pause.
Florian Holzer (rechts)
Gourmetkritiker und Hobbywinzer, hat die beiden anderen Herren erst durch "Ochs im Glas" kennengelernt. Bei der Fischgeschichte interessieren ihn auch soziokulturelle Hintergründe und Traditionen.
Thomas Nowak (links)
Künstler, hat für das Einrexen des Ochsen seinen Bauernhof im Waldviertel zur Verfügung gestellt. Er wird das beim Fischprojekt wieder tun und freut sich darauf, den Fang einzudosen.
Foto: Ingo Pertramer

"Das Meer braucht eine Pause vom Leergefischtwerden", sagt der Künstler Thomas Nowak, "das wissen wir alle, aber wir tun so, als ginge uns das nichts an." Zweitens wollen sie zeigen, was sie unter Nachhaltigkeit verstehen: "Alles wird verwendet." Das ist dann auch tatsächlich so. Von der Schwanzflosse über die Gräten bis hin zum Augerl kommt alles in den Topf – und schmeckt auch noch gut. Aber der Reihe nach: Die drei Herren, bekennende Amateure in der Küche, haben sich einst zusammengefunden, um einen ganzen Ochsen einzurexen und diesen Vorgang zu filmen. Die Idee kam vom Fotografen Ingo Pertramer, der dazu auch das Konzept und das Kochbuch seiner Oma beisteuerte. Gourmetkritiker Florian Holzer co-konzeptionierte, Künstler Thomas Nowak stellte seinen Bauernhof im Waldviertel für die Tathergänge zur Verfügung.

Ein Tier komplett verarbeiten

Gemeinsam schritt man ans Werk, um manchmal getrennt durchs Ziel zu wanken. Ihnen beim Zerlegen, Einkochen und Einrexen zuzusehen, war derart vergnüglich, dass die anfangs vom ORF sehr zögerlich angenommene Kocherei auf Anhieb per Publikumsvoting eine Romy gewann. Zeigen wollten sie damals, wie es ist, wenn man Essen und Schlachten von Tieren wieder näher zusammenführt, und dass man mehr vom Tier verwenden und konservieren kann, als man glaubt. Das ist nun wieder der Plan, nur diesmal mit Fischen. Pertramer, Holzer und Nowak arbeiten derzeit an Fisch ahoi!. Wieder handelt es sich um eine TV-Serie, wieder geht es darum, Tiere selbst zu töten, komplett zu verarbeiten und haltbar zu machen. Nur diesmal nicht in Gläsern, sondern in Dosen, die man selbst befüllt – acht Folgen, acht verschiedene einheimische Fische. Die Idee dahinter: Weil die Österreicher Fisch lieben und ihn am liebsten in Form von Fischstäbchen oder in Dosen kaufen, werde man genau das selbst herstellen. Nur eben mit Karpfen, Waller, Forelle und Saibling statt mit Tunfisch, Hering, Sardine oder Scholle. Eine Dosiermaschine haben sich die drei schon zugelegt, sie steht derzeit im Nowak'schen Bauernhof und wird von Zeit zu Zeit abgestaubt.

Karpfen aus Radlbrunn

Den ursprünglichen Wunsch des STANDARD, bei den Dreharbeiten zuzuschauen und daraus eine hübsch weihnachtliche Reportage zu basteln, die auch die Themen Umweltschutz und Weltfrieden elegant streift, kommentierten die drei Hobbyköche mit nachsichtigem Lächeln. Im Winter? In der Schonzeit?? Fischen??? Geht gar nicht. Drehbeginn ist im Frühling, dann sehen wir weiter. Aber man ist spontan: Weihnachtskarpfen, wie gesagt, vom Fischhändler aus dem schönen Radlbrunn, Heimat des niederösterreichischen Altlandeshauptmannes, das geht schon. Ein Fisch aus Radlbrunn muss ja auch gut sein, alles andere wäre gelb-blauer Landesverrat. Tatsächlich, das bereits geschuppte Tier mit dem weit geöffneten Maul, das in der dritten Adventwoche auf dem Pertramer'schen Küchentisch im 15. Bezirk landet, hat Topqualität. Unter der glitschigen Haut drei Kilo dichtes, weißes Fleisch und jede Menge fiese Gräten, die Augen noch beweglich. Der Fischrogen, der später in Suppe und Crackerpaste kommt, zeigt: Der Karpfen war eine Karpfin. Ihre Zerlegung in drei annähernd gleich große Teile erfolgt – wahrscheinlich – ein wenig dilettantisch. Am Ende wird sogar die Geflügelschere gezückt, um widerspenstige Flossen zu trennen.

Jenseide Film

Die separate Verarbeitung wirkt dagegen schon recht professionell: Jeder weiß offensichtlich, was er tut – die Ergebnisse sind vielversprechend (siehe Rezepte unten).

Pertramer: "Wir machen das einfach"

Der ORF zögert wieder, die Produktion vorzufinanzieren – welcher Sendeplatz, welcher Umfang ... Alles schwierig zu entscheiden. Wieder wollen sich die drei Köche davon nicht irritieren lassen. "Wir machen das einfach", sagt Pertramer, Holzer und Nowak nicken. Es gebe nicht nur den ORF als Interessenten für diese Staffel. Pläne für die Verarbeitung weiterer Tiere gibt es übrigens auch schon. Wild zum Beispiel. Das müsste man selbstverständlich selbst jagen. Man ist sehr motiviert. Und mit den Jagd- und Schonzeiten ginge sich das dann auch für drei weitere STANDARD-Weihnachtsessen aus.

Panierter Karpfen und das Geheimnis der Brösel

Foto: Ingo Pertramer

Zutaten

  • Karpfenstücke
  • Salz
  • Brösel (selbstgemahlen)
  • Mehl
  • Ei
  • Zitrone
  • etwas Petersilie

Normalerweise würde man wahrscheinlich die Stücke vom Karpfen ein wenig anders schneiden: sicher nicht quer durch und in Ypsilon-Form. Aber wer ein Konzept durchziehen will (in dem Fall die abfallfreie Dreiteilung), muss auch Opfer bringen. Thomas Nowak hat das getan und beherzt paniert. Wie man paniert, weiß jeder durchschnittlich begabte Hobbykoch – was er (oder sie) möglicherweise nicht weiß: Das Geheimnis sind die Brösel. Wer sich die Mühe macht und sich die Schweinerei antut, Semmeln und/oder Weißbrot selbst zu reiben, wird belohnt: Die Panier haftet besser und schaut auch besser aus. Darauf schwört zumindest Nowak, der die Karpfenstücke erst salzt, dann einmehlt, durch das Ei zieht und abschließend in die Brösel versenkt. Dann wird in reichlich Schweineschmalz goldgelb herausgebacken, serviert wird mit ein wenig Petersil-Bestreu und Zitrone, dazu gibt's Erdäpfel-Vogerlsalat. Thomas Nowaks Tipp für den Salat: Unbedingt zuckern – schmeckt einfach besser. Sagt er.

Karpfenceviche mit Fischcrackern – Vorsicht, knusprige Gräte!

Foto: Ingo Pertramer

Zutaten für die Cracker

  • Alles, was vom Fisch übrigbleibt
  • Zwiebel
  • Knoblauch
  • Fenchel
  • Lauch und/oder Karotte
  • Kreuzkümmel
  • Fenchelsamen
  • Chili

Zutaten für die Ceviche

  • Limettensaft
  • Ingwer
  • frischer Chili
  • Salz
  • Koriander

Florian Holzer gilt seinen Kollegen als langsam – fast schon zu langsam. Als er daher noch einmal schnell den nahen Meiselmarkt für extra Limetten aufsuchen muss, verdrehen die anderen die Augen. Das könne dauern. Tatsächlich ist die Ceviche ziemlich schnell zubereitet. Filetstücke kleingeschnitten, Marinade dazu, stehenlassen. Leche de Tigre nennt man das in Peru, wo Ceviche Nationalgericht ist – und mit Knoblauch oder Milch und roter Zwiebel verfeinert wird. Während die Filetstücke kalt garen, wird die Fischcracker-Paste hergestellt. Man nehme alles vom Fisch, füge Gemüse hinzu, würze das Ganze und koche es ein. Ein kräftiger Schuss Wermut dazu. Dann braucht man eine leistungsstarke Küchenmaschine. Die muss den Eintopf zu möglichst feinem Brei verarbeiten. Der wird durch ein Sieb entwässert. Was übrigbleibt, wird auf ein mit Backpapier ausgelegtes Blech gestrichen und bei 220 Grad gebacken.

Karpfenkopfsuppe mit Nudeln vom Vortag

Foto: Ingo Pertramer

Zutaten

  • Fischkopf
  • Rogen
  • Wurzelgemüse
  • Nudeln
  • Salz
  • Pfeffer

Die wenigste Arbeit hat sich, das lässt sich schwer leugnen, Ingo Pertramer angetan. Mit dem Kochen zumindest. Er legte sich von Beginn an auf den Fischkopf fest, den er "mit allem" zu einer schmackhaften Fischsuppe verkochen will. Das Geheimnis dabei sei, verriet er dem STANDARD, das kleingeschnittene Wurzelgemüse anzurösten. Das war schnell geschehen, Gemüse samt Fischkopf mit reichlich Wasser und Gewürzen zugestellt und, nach anfänglichem Zögern, auch den Rogen dazu.

Dann blieb Zeit, die zuvor sorgsam ausgelösten "Wangerln" noch extra zu panieren. Als "Gruß aus der Küche" quasi. Und weil es beim Kochprojekt gerecht und friedlich zugehen soll, wurde das eine Wangerl, das ein bisserl größer war als das andere, geteilt – auf dass drei Fisch ahoi! -Kollegen begrüßt werden können. Zwar wurde ein wenig diskutiert, wer das größte und wer das kleinste Stück bekommen sollte, aber es blieb im Rahmen. Die Suppe köchelte jedenfalls friedlich vor sich hin und wurde nach einer Stunde mit den Nudeln vom Vortag serviert. Geschmack: eher gemüsig als fischig. (Petra Stuiber, 23.12.2017)