1997 gastierte Egon Schieles Porträt seiner Lebensgefährtin Wally im Museum of Modern Art und entfachte eine Diskussion zum Thema NS-Raubkunst. Am 7. Jänner jährt sich die Beschlagnahme des Gemäldes zum 20. Mal. Erst 2010 kehrte das Bild nach Österreich zurück.

Foto: Leopold Museum, Standard-Collage

Wien – Weihnachten, Ostern und Geburtstage. Das waren übers Jahr verteilt jene wenigen Anlässe, bei der Familie Leopold privat zusammenfand. Heiligabend 1997, den Rudolf und Elisabeth bei Sohn Diethard, seiner Ehefrau und den beiden siebenjährigen Enkelkindern verbrachten, verlief jedoch alles andere als festlich. Mit finsterer Laune und einer Ausgabe der New York Times unterm Arm sei sein Vater erschienen, erinnert sich Diethard Leopold 20 Jahre später. Den Rest des Abends habe man über jenen Artikel debattiert, der schwerwiegende Vorwürfe gegen Rudolf Leopold erhob.

Der eifrige Sammler habe die Notlage jüdischer Familien nach dem Zweiten Weltkrieg ausgenützt, um unfair niedrige Preise zu zahlen, oder Erbinnen sogar des Nachts aufgelauert, um an die von ihm begehrten Kunstwerke zu gelangen. Im Mittelpunkt standen Werke, die im Zuge der damals anberaumten Egon-Schiele-Retrospektive im Museum of Modern Art (New York) gastierten und denen teils eine problematische Vergangenheit attestiert wurde. Denn sie stammten aus ehemals prominenten jüdischen Sammlungen, und die Besitzerwechsel während des nationalsozialistischen Regimes bedurften der Klärung.

Österreich im Mittelpunkt

Es war nicht das erste Mal, dass die Raubzüge der Nazis medial thematisiert wurden, und auch war der Begriff Raubkunst längst geläufig. Nur, diesmal stand Österreich im Mittelpunkt, der wohl prominenteste Sammler des Landes ebenso wie ein mehr als unrühmliches Kapitel des Kunsthandels und seiner Profiteure, allen voran der Museen.

Am 1. Jänner 1998 folgte der nächste Bericht, und darin erhoben zwei Familien Ansprüche auf zwei Schiele-Gemälde: Die tote Stadt III und das Bildnis Wally. Ausgerechnet in der Weihnachts- und der Neujahrsausgabe, resümierte Diethard Leopold "die Darstellung voll inkriminierender Mutmaßungen", die "mit Unwahrheiten gespickte Attacke" rückblickend. Als "bösartige Choreografie, die ihre Wirkung nicht verfehlte", bezeichnete er das später in der Biografie seines Vaters (2003, Holzhausen, Wien).

15-Millionen-Einigung

In Wien setzte hektisches Treiben ein, bemühten sich Rudolf Leopold und sein damaliger kaufmännischer Direktor Klaus Albrecht Schröder, die Quellenlage im Detail zu prüfen. Am 7. Jänner verfügte der New Yorker Staatsanwalt Robert Morgenthau die Beschlagnahme der beiden als Diebesgut eingestuften Gemälde.

Die von der Familie erhoffte schnelle Klärung sollte dauern: Das einst in der Sammlung des Kabarettisten Fritz Grünbaum beheimatete Gemälde Tote Stadt III kehrte im Herbst 1999 zurück, da die das Werk beanspruchenden Personen gar nicht erbberechtigt waren. Um das Bildnis Wally setzte indes ein Rechtsstreit ein, der zwölf Jahre währte und mehr als vier Millionen Euro verschlang. Die 15 Millionen Euro teure Einigung mit den Erben nach Bondi-Jaray verhandelte Rudolf Leopold noch vor seinem Tod, die Rückkehr des Gemäldes zwei Monate später erlebte er nicht mehr.

Seit August 2010 hängen Egon Schieles Selbstbildnis mit Lampionfrüchten und das als Gegenstück geschaffene Porträt seiner Lebensgefährtin Wally Neuzil von 1912 Seite an Seite im Leopold-Museum. Daneben ein Text, der über die Geschichte der Entziehung, über die Rückgabe an einen falschen Erben, den Verkauf ans Belvedere, das spätere Tauschgeschäft mit Rudolf Leopold und den Rechtsstreit informiert.

Rechtliche Kettenreaktion

Zweifel bleiben, etwa ob die Kommission für Provenienzforschung im Falle Wallys hierzulande überhaupt einen Restitutionsfall gesehen hätte. "Einerlei, es war eine gute Lösung", betont Diethard Leopold. Der Artikel in der New York Times vom 24. Dezember 1997 hatte eine Kettenreaktion in Gang gesetzt, die mitsamt entfachten Diskussionen und daraus resultierenden Konsequenzen bis in die Gegenwart wirkt.

Die Verabschiedung des Kunstrückgabegesetzes in Österreich jährt sich 2018 ebenso zum 20. Mal wie die rechtlich nicht bindenden elf Grundsätze der Washingtoner Erklärung. Letztere wurde von 44 Ländern unterzeichnet, mit unterschiedlichen Regelungen umgesetzt, von vielen aber auch ignoriert. (Olga Kronsteiner, 23.12.2017)