Wien – "Überhaupt hat der Fortschritt das an sich, dass er viel größer ausschaut, als er wirklich ist." Dieses alte Diktum von Nestroy fand der Philosoph Ludwig Wittgenstein so gelungen, dass er es einem seiner Bücher voranstellte. In der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts haben wir eher das Problem, kaum mehr mit all den neuen Erkenntnissen mitzukommen, die von der entfesselten Forschung produziert werden.

Ein kosmisches Ereignis

Auch das zu Ende gehende Jahr war wieder einmal überreich an Durchbrüchen. Für viele – unter anderem für die Redaktion des Wissenschaftsjournals "Science" – stach dabei ein Ereignis hervor: die von tausenden Astronomen und Astrophysikern beobachtete Verschmelzung zweier Neutronensterne, die eigentlich bereits vor 130 Millionen Jahre stattfand.

Das Wissenschaftsereignis des Jahres: die Verschmelzung zweier Neutronensterne, die bereits vor 130 Millionen Jahren kollidierten.
Foto: APA/AFP/National Science Foundation

Die Folgen davon – Gravitationswellen und zwei Sekunden später ein Gammastrahlenblitz – erreichten am 17. August die Erde und wurden zuerst von den beiden Ligo- und Virgo-Detektoren und dann von mehr als 70 Großteleskopen beobachtet. Das machte das kosmische Ereignis, das gleich mehrere Theorien bestätigte, zum wohl am besten erforschten der Geschichte.

Zehn Durchbrüche laut "Science"

Zu den weiteren wichtigen zehn Durchbrüchen des Jahres erklärte "Science" im Bereich der Biomedizin eine Verbesserung der Gen-Schere CRISPR/Cas-9, die das revolutionäre gentechnische Werkzeug noch präziser machte und Fortschritte in der Gentherapie, die im Fall von spinaler Muskelatrophie bereits Erfolge zeitigten.

Science Magazine

Dritte Spezies von Orang-Utan

Bemerkenswert fand die "Science"-Redaktion auch noch die Entdeckung einer neuen dritten Orang-Utan-Art, die ältesten Eisbohrkerne, die Aufschlüsse über das Klima vor 2,7 Millionen Jahren geben, sowie die nicht ganz unumstrittene Bestimmung des ältesten Homo sapiens, der vor rund 300.000 Jahren im heutigen Marokko lebte. Dessen Fossilien waren bereits 1961 entdeckt worden, aber irrtümlicherweise für einen Neandertaler gehalten worden.

Anders als Science nannte das britische Konkurrenzmagazin "Nature" in seinen Rückblicken neben den zehn wichtigsten Ereignissen – darunter auch das Abbrechen eines gigantischen Eisbergs in der Antarktis – die zehn wichtigsten Wissenschafter 2017. Einer davon ist der chinesische Quantenphysiker Pan Jianwei, der 1999 bei Anton Zeilinger an der Uni Wien promovierte. Pan Jianwei und seinem Team gelang es mithilfe eines Satelliten, den bisherigen Rekord in Quanten-Teleportation zu brechen: ein wichtiger Schritt in Richtung Quanten-Internet.

Die zehn "besten" Retraktionen

Dass an dem Diktum von Nestroy womöglich doch etwas dran ist, belegt eine weitere Liste mit zehn Highlights: Das Wissenschaftsmagazin "The Scientist" aus der "Nature"-Verlagsgruppe hat die wichtigsten Artikel aufgelistet, die 2017 zurückgezogen wurden. Das waren immerhin mehr als tausend, darunter waren immerhin auch zwei Artikel von Nobelpreisträgern. (tasch, 22.12.2017)