Anna Musytschuk: "Ich bin bereit, für meine Prinzipien einzustehen."

Foto: APA/AFP/KARIM JAAFAR

2016 sei sie der glücklichste Mensch in der Schachwelt gewesen, nun aber gehe es ihr wirklich schlecht.

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Riad/Wien – 2016 hatte Anna Musytschuk in Doha ordentlich abgeräumt und sich mit Erfolgen im Schnell- und Blitzschach zur Doppelweltmeisterin gekrönt. Bei der diesjährigen WM in Saudi-Arabien werden ihre Künste nicht zu bestaunen sein, die Ukrainerin verzichtet wie ihre ebenfalls im Profi-Schachsport engagierte Schwester Marija auf eine Teilnahme und damit die Titelverteidigung, weil sie die Ungleichbehandlung der Frauen in Saudi-Arabien anprangert, wo sie als Frau nicht einmal ohne männliche Begleitung auf die Straße gehen dürfe. "Ich bin bereit, für meine Prinzipien einzustehen", sagt die 27-Jährige.

In wenigen Tagen werde sie zwei WM-Titel verlieren, einen nach dem anderen. Nur weil sie beschlossen habe, nicht nach Saudi-Arabien zu reisen, schreibt Musytschuk auf Facebook. "Ich habe beschlossen, nicht nach irgendjemandes Regeln zu spielen, nicht ein Überkleid zu tragen, nicht begleitet zu werden, wenn ich hinausgehe, und mich alles in allem nicht als Lebewesen zweiter Klasse zu fühlen", so Musytschuk.

Die als Imagekorrektur gedachte WM mutiert für Saudi-Arabien immer mehr zum PR-Desaster. Nachdem israelischen Sportlern keine Visa ausgestellt wurden und somit ein Start verhindert wurde, sofern er überhaupt in Erwägung gezogen wurde, sorgt nun das Fernbleiben der Doppelweltmeisterin für neue Negativ-Schlagzeilen.

Vor zwei Jahren noch hatte Großmufti Abdulaziz Al Sheikh das Schachspiel im Wüstenstaat für unerwünscht erklärt. Es sei Zeitverschwendung und fördere die Rivalität. Nun aber wird das Königreich gleich dreimal hintereinander WM-Gastgeber sein. Eine großzügige Spende an den Schachweltverband Fide machte dies wohl möglich. Und auch die Akteure müssen nicht für ein Butterbrot das Gehirnschmalz bemühen. Insgesamt zwei Millionen Dollar (1,7 Millionen Euro) Preisgeld locken die Größen des Sports und so auch Weltmeister Magnus Carlsen nach Riad. Für teilnehmende Frauen wurden immerhin die strengen Bekleidungsvorschriften weitgehend aufgehoben.

Musytschuk hatte ihren Entschluss, auf ein Antreten zu verzichten, schon im November gefasst. Noch vor einem Jahr sei sie nach dem Gewinn der beiden Titel der glücklichste Mensch in der Schachwelt gewesen, nun aber gehe es ihr wirklich schlecht. Sie sei bereit, für ihre Prinzipien einzustehen und auf den Event zu verzichten, auch wenn sie in fünf Tagen mehr verdient hätte als bei einem Dutzend anderer Turniere. "All das ist ärgerlich, aber wirklich bedenklich ist, dass es nahezu niemanden kümmert." Für jene wenigen, die interessiert seien, kündigt sie an: "We'll be back!" (Thomas Hirner, 27.12.2017)