Wien – Alles setzt ein mit einem Ruck. Und endet in der Nase. "Ich roch die Stadt am Bosporus, bevor ich sie sah, roch das gegrillte Fleisch und das Meer. In der Abenddämmerung näherten wir uns Istanbul, seinen Moscheen und Minaretten, den Möwen und Meeresbrisen, den schnurrbärtigen, teetrinkenden Männern, dem Ende Asiens und dem Anfang Europas."

Elf Monate ist die studierte Philosophin Manuela Di Franco unterwegs. Im Jänner 2006 bricht sie in der Schweiz auf und kehrt an Weihnachten zurück. Unterwegs ist sie mit ihrem Geliebten Omar, während in der Schweiz ein früherer Lover auf sie wartet und ihr Sehnsuchtsnachrichten schickt. Zusammen verwirklichen die beiden einen langgehegten Traum: von ihrem Heimatort bis nach Indien und Nepal zu reisen, durch Serbien, Albanien, Griechenland, die Türkei, den Iran und Pakistan. Mit ganz wenig Geld. Und alles auf dem Landweg, mit Zug und Bus. Antäisch also, kein einziges Mal die Füße vom Boden nehmend.

Es ist kein Zufall, dass Di Francos Buch im Lenos-Verlag erscheint, der seit vielen Jahren Nicolas Bouvier auf Deutsch ediert. In Die Erfahrung der Welt (1963) schilderte der Genfer eine Reise im Jahr 1953 mit einem Fotografenfreund, die ihn bis nach Kabul führte. Dieser Band war des Studienabbrechers glanzvoller Auftakt als Reiseschriftsteller.

Eindringliche Porträts

Di Franco ist in ganz anderer politischer, gesellschaftlicher, medialer Zeit unterwegs, viele Umwälzungen, Revolutionen, Kriege später. Aber auch sie nimmt sich Zeit, lässt sich auf ganz unterschiedliche Menschen ein – und hier gelingen ihr eindringliche Porträts von Zufallsbekanntschaften, die zu Freundschaften werden, ob in Albanien oder im pakistanischen Swat-Tal. Verdichtet sind ihre Reisenotizen, daher auch der Untertitel. Leicht liest sich dieser – sich von feuilletonistischer Reisereportage wie von ethnologisch-soziologischer Feldstudie gleichermaßen distanzierende – Roman einer Reise. Humor fehlt nicht, Ironie nicht, auch Selbstzweifel nicht, genauso wenig katastrophale Unterkünfte, Abstoßendes und Warten, immer wieder Warten. Daneben, dazwischen eingewoben, ist aber stets die Faszination der Fremde, ob in Varanasi oder in Kathmandu.

Der Himmel ist grün ist Erinnerung daran, was Reisen sein soll und doch so selten ist. Di Francos realisierter Traum entspricht dem Bonmot des englischen Reiseautors Patrick Leigh Fermor, eine Reise unter drei Monaten sei keine. Am Ende von Die unterbrochene Reise saß Fermor 1937 im bulgarischen Burgas "und schrieb alles auf, was ich entlang der Schwarzmeerküste gesehen hatte. Es war schwer – ist es bis heute -, den Zauber dieser Wanderung entlang des beinahe menschenleeren Meeressaums in Worte zu fassen, die Atmosphäre friedlicher, trostreicher Einsamkeit." Einen ähnlichen Zauber übt sieben Jahrzehnte später Manuela Di Francos Buch aus. (Alexander Kluy, 28.12.2017)