Zubauten ohne architektonisches Gesamtkonzept: Darauf läuft die aktuelle Verwaltungsreform hinaus.

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Im Regierungsprogramm heißt es: "Wir wollen die Verwaltung im österreichischen Staat grundlegend reformieren und vereinfachen." Das soll unter anderem durch die Einsetzung von Generalsekretären in allen Ministerien geschehen. Dieser Plan hat eine Vorgeschichte.

Bis in die 1980er-Jahre hinein hatten die Mitglieder der Bundesregierung jeweils um die drei Sekretäre zu ihrer persönlichen Unterstützung und führten unmittelbar die Sektionschefs. Schrittweise entstanden dann immer größer werdende sogenannte Kabinette. Zuletzt waren in den verschiedenen Ressorts rund 170 Personen tätig, nicht eingerechnet rund 40 Pressesprecher. Bereits 2009 wurden die jährlichen Kosten der Kabinette auf rund 15 Millionen Euro pro Jahr geschätzt

Das Wirken der Kabinette steht auf juristisch wackeligen Beinen, und das in einem Land, in dem an Rechtsvorschriften kein Mangel besteht: Da Kabinettsmitarbeiter selbst keine Weisungen erteilen dürfen, besteht die Fiktion, sie würden Aufträge des Bundesministers weiterreichen. Hierbei wissen alle Beteiligten, dass es für einen Minister unmöglich ist, den Kabinettschef und seine rund zehn Mitarbeiter mit Einzelaufträgen zu versorgen, zumal die Kabinettsmitarbeiter durchaus auch operativ tätig sind und sich in Einzelangelegenheiten engagieren. Sie vermögen das, weil sie die Geschäftsverteilung der Ministerien "spiegeln", diese also in ihrer Aufgabenverteilung abbilden.

Die Linienorganisation der Ministerien wird zusätzlich in Organisationseinheiten des Finanzministeriums und des Bundeskanzleramts gespiegelt, um finanzielle bzw. personelle Mitwirkungsrechte auszuüben.

Es entsteht somit ein überkomplexes System mit vielen Reibungsverlusten und einer Diffusion von Verantwortung. Kabinette operieren in einer Grauzone, die für Beobachter verschwommen und mehrdeutig erscheint, für die Akteure jedoch ein vertrautes Routinegeschäft darstellt, in dem persönliche Aushandlungsprozesse eine wichtige Rolle spielen.

Die Ambivalenz der (Spitzen-) Beamtenschaft dem Kabinettswesen gegenüber wird auch dadurch genährt, dass Tätigkeit in einem Kabinett die eigene Karriere durchaus beschleunigen kann. Rund die Hälfte der österreichischen Sektionsleiter war zuvor in Kabinetten tätig.

Im Jahre 2000 wurde eine weitere mehrdeutige Regelung getroffen, nämlich dass Minister Generalsekretäre bestellen können zur "zusammenfassenden Behandlung aller (...) Geschäfte". Im Rahmen einer Studie hörte ich in einem Ressort vom Kabinettschef, dass der Generalsekretär lediglich koordinieren könne, dieser wiederum erklärte, sehr wohl gegenüber Sektionschefs eine Leitungsbefugnis zu haben.

In anderen Staaten finden sich eindeutigere Lösungen, so in Deutschland, wo einige wenige politische Beamte mit dem jeweiligen Minister kommen und gehen, es sei denn, der Nachfolger belässt sie.

Gleichzeitig Kabinettschef

Eine gute Lösung für Österreich hätte sein können, so ein Ergebnis meiner auf Interviews beruhenden Studie aus dem Jahr 2012, in jedem Ressort als einzigen politischen Beamten einen Generalsekretär zu bestellen, der gleichzeitig als Chef eines deutlich verkleinerten Kabinetts (EU-Standard für Kommissare: sechs Mitarbeiter) fungiert und die hierarchische Spitze der Verwaltungsorganisation darstellt.

Am 20. Dezember beschloss das Parlament, dass in Hinkunft Generalsekretäre Vorgesetzte der Sektionsleiter sowie auch aller Dienststellen eines Ressorts sind. Dies gab es als Sonderregelung bereits im Außenministerium.

Auf den ersten Blick erscheint dies als eine Neuerung, gegen die sich schwerlich etwas sagen lässt. Bei systemischer Betrachtungsweise eröffnet sich jedoch:

  • Die erwähnte Studie ergab, dass die einzelnen Ressorts politisch sehr unterschiedlich gesteuert werden. Teilweise gibt es gut aufgesetzte Managementsysteme oder zumindest wohlgeordnete Besprechungssysteme, teilweise bestehen keine definierten Steuerungsprozesse. Eine Änderung im Organigramm hätte daher mit der Kreation von Grundsätzen und Verfahrensweisen guten Regierens verbunden sein sollen.
  • Die Kabinette mit ihren Chefs bestehen, wie erste Blicke in die neuen Geschäftsverteilungen der Ressorts zeigen, weiterhin. Es wird spannend sein zu beobachten, wie sich die Arbeitsbeziehungen zwischen Generalsekretären und Kabinettschefs gestalten.
  • Die neue Lösung wird teurer sein, während in der Verwaltung insgesamt nur jede dritte frei gewordene Planstelle nachbesetzt werden soll.
  • Die neuen Generalsekretäre können sich pragmatisieren lassen, müssen dann also mit ihren Ministern nicht gehen. Mit welchen Positionen werden sie wohl versorgt werden? Sinnvoll wäre es gewesen, Konzepte über Karrierepfade und notwendige Qualifikationen für Spitzenfunktionen in der Verwaltung zu definieren. Ambitioniertes Vorbild: die französische École nationale d'administration (Ena) als Kaderschmiede für Spitzenfunktionen nicht nur in Verwaltung und Politik.

Insgesamt bietet sich wieder einmal der Vergleich mit einem Hotel an, in dem jeweils nach Erlangung eines neuen Bankkredits ein weiterer Zubau ohne architektonisches Gesamtkonzept errichtet wird. Es entsteht somit ein verwinkeltes, unübersichtliches und nur bedingt funktionales Bauwerk.

Das neue Regieren sieht somit ziemlich alt aus. Im Vordergrund steht die Maximierung von Macht. Ein Gesamtkonzept der Steuerung der Verwaltung ist nicht erkennbar.

Die politisch Interessierten werden gut beraten sein, aktiv zu verfolgen, in welcher Form diese Regierung ihrer Ankündigung nachkommt, ein durchaus notwendiges neues Krisen- und Katastrophenmanagement einzurichten. Wie wird hier das Verhältnis von politischen Machtkalkülen zu intelligenten strategischen Konzepten zur Bewältigung außergewöhnlicher Ereignisse sein? (Wolfgang Gratz, 27.12.2017)