Eine Fake-News-Seite behauptet, eine Frau hätte 65 Katzen trainiert, ihre Nachbarn zu bestehlen. Snopes klärt auf: Die Geschichte ist frei erfunden.

Screenshot: World News Daily Report

"Babysitter führt Baby in Scheide ein: Nottransport ins Krankenhaus", "FBI beschlagnahmt 3.000 Penisse während Hausdurchsuchung bei Pathologie-Mitarbeiterin" und "Charles Manson (der ehemalige Sektenführer, Anm.) wird auf Bewährung freigelassen". Diese Schlagzeilen haben die US-Öffentlichkeit in diesem Jahr auf Facebook besonders bewegt. Sie haben in Summe rund 3,75 Millionen Shares, Kommentare und Reaktionen erzeugt. Und sie weisen noch eine Gemeinsamkeit auf: Sie sind frei erfunden.

Die drei Meldungen führen die Liste der 50 beliebtesten "Fake News" des Jahres an, die Buzzfeed kompiliert hat. Einbezogen wurden Geschichten, die zwischen erstem Jänner und 9. Dezember veröffentlicht wurden. 167 Seiten, die "konsistent komplett erfundene Artikel" publizieren, merkt man in der Erklärung der Vorgangsweise an. Die Top 50 der Falschnachrichten kommt insgesamt auf 23,5 Millionen Interaktionen auf Facebook – ein Plus von neun Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Fake-News-Macher haben Vorsprung

Die erfolgreichste Kategorie waren Verbrechensgeschichten. Als solche werden gleich 20 der Falschmeldungen qualifiziert. Elf Storys fallen in die Kategorie "Politik", gefolgt mit Respektabstand von "Medizin", "Weltnachrichten" und "Wirtschaft". Auch in den Top Ten: "Präsident Trump ordnet Exekution von fünf Truthähnen an, die Obama begnadigt hat" und "Ältere Frau soll 65 Katzen dazu trainiert haben, von ihren Nachbarn zu stehlen".

Die Zahlen zeigen: Facebook und Co haben noch viel zu tun, wenn es darum geht, Falschinformationen aufzuzeigen und ihre Verbreitung zu verhindern. "Die Fake-News-Produzenten hatten einen immensen Vorsprung aus dem letzten Jahr", sagt dazu David Mikkelson, Mitgründer der Fact-Checking-Plattform Snopes. Während Journalisten und Facebook gerade erst erprobten, wie man dem Phänomen Einhalt gebieten könne, gab es auf der anderen Seite schon erprobte Strategien zur Erzeugung und Monetarisierung von viralem Content.

Fact-Checks erreichen nur Bruchteil der Reichweite

Vergangenes Jahr wurden Falschnachrichten vor allem in politischem Kontext betrachtet. Im US-Wahlkampf wurden vor allem (aber nicht nur) diverse Unwahrheiten verbreitet, um die öffentliche Meinung zugunsten von Donald Trump zu manipulieren. In hiesigen Breitengraden kursierten wiederum frei erfundene Meldungen über Migranten und Flüchtlinge – von den durch die Caritas gesponserten Gratis-iPhone über Supermarkt-Plünderungen bis hin zu sexuellen Übergriffen –, die es Nachrichtenkonsumenten erschweren, die Zahl der tatsächlich stattgefundenen Vorfälle einzuschätzen.

Im Moment werden die Fact-Checks zu Falschmeldungen jedoch noch von weit weniger Menschen gelesen als die fabrizierten Sensationsmeldungen. Facebook begann in diesem Jahr, mit Snopes, Politifact, Factcheck.org und ABC News zusammenzuarbeiten. Von dort kamen Aufklärungsartikel zu 31 der 50 beliebtesten Fake News. Die "Debunks" erreichten jedoch nur rund 128.000 Interaktionen oder ein Zweihundertstel des Erfolgs der erfundenen Texte.

Facebook verspricht Besserung

Aus den Fingern gesogene Sensationsmeldungen sind dabei zu einem lukrativen Geschäft geworden. Ein Indiz dafür ist, dass trotz des Endes des US-Wahlkampfs auch in diesem Jahr zahlreiche neue Seiten aufgetaucht sind, die mit ihren spektakulären Headlines Klickmagneten auf sozialen Plattformen liefern. Die oft kurzen Texte sind eingerahmt von einer Vielzahl an Werbebannern. Vergangenes Jahr hatte Buzzfeed seine Analyse noch mit 96 Quellen erstellt.

Bei Facebook gesteht man ein, dass man noch Arbeit vor sich habe. Allerdings habe man kürzlich neue Werkzeuge installiert, um virale Falschmeldungen einzuschränken. Geschwindigkeit ist dabei ein entscheidender Faktor. Sobald es Aufklärungsartikel zu falschen Storys gibt, brechen deren Verbreitungsraten um bis zu 80 Prozent ein, wie man in Analysen herausfinden konnte.

Fake-News-Seiten kopieren sich gegenseitig

Ein neues Phänomen, dem man sich stellen muss, sind Fake-News-Seiten, die Texte anderer Fake-News-Seiten kopieren. Osteuropa und vor allem der Balkanstaat Mazedonien seien dafür offenbar beliebte Standorte. Einer der Betreiber mehrerer US-Hoax-Seiten wie "America‘s Last Line of Defense", Christopher Blair, meldet die Plagiate auf Facebook mittlerweile regelmäßig wegen Copyrightverletzung. Manche der Facebook-Auftritte wurden bereits stillgelegt.

Blair bezeichnet sich selbst als "linker Troll", der mit Meldungen wie "NFL belegt Pittsburgh Steelers mit einer Million Dollar Strafe, weil Nationalhymne nicht gespielt wurde" die Leichtgläubigkeit konservativer Leser aufzeigen möchte.

Andere scheinen neben Einnahmen auch weiterhin dezidiert politische Ziele zu verfolgen. Auf "YourNewsWire", das sich als Plattform für "ungefilterte Wahrheit" bezeichnet, wurden etwa Falschnachrichten zum Amoklauf in Las Vegas veröffentlicht. "Videoaufnahmen bestätigen koordinierten Angriff durch mehrere Täter", hieß es dort etwa. Tatsächlich gibt es nur einen Verdächtigen, der mit Schüssen aus einem Hotelzimmer 58 Menschen getötet und mehr als 500 verletzt haben soll. Mitgründer Sean Adl-Tabatabai antwortete auf eine Buzzfeed-Anfrage lediglich mit einem Verweis auf das dort publizierte und als unverifiziert markierte Dossier zu Trumps Russland-Verbindungen und dem Screenshot eines Youtube-Videos mit dem Titel "Buzzfeed ist Krebs".

Falschnachrichten können Leben gefährden

Nicht vergessen darf man auch die teilweise sehr direkten Auswirkungen, die die erfundenen Nachrichten abseits des schwer messbaren Impacts auf die öffentliche Meinung haben können. Neben Anfeindungen gegen angebliche Täter, die sich tatsächlich nichts zuschulden kommen ließen, können diese auch Existenzen gefährden. Buzzfeed verweist etwa auf ein indisches Restaurant, das nach der Behauptung, dass dort Menschenfleisch serviert würde, fast in die Pleite rutschte.

Wilde Behauptungen und Verschwörungstheorien können auch zu Gewalt motivieren. Ende 2016 schoss ein Mann in einer Washingtoner Pizzeria mit einem Gewehr um sich. Das Restaurant war zuvor im Rahmen des erfundenen "Pizzagate"-Skandals als Umschlagpunkt eines Kinderpornorings bezeichnet worden, in den auch hochrangige Mitglieder der US-Demokraten involviert sein sollten. Der Schütze, der nach eigenen Angaben "Kinder retten" wollte, wurde mittlerweile zu vier Jahren Haft verurteilt. (gpi, 29.12.2017)