Alles in Sackerln: In griechischen Supermärkten gab es bis jetzt kleine Plastikbeutel für alles und umsonst. Nur ältere Griechen erinnern sich noch an Einkäufe mit dem Korb.

Foto: Tina Pfäffle

Ausländer fallen an griechischen Supermarktkassen immer auf. Sie stopfen zu viele Waren in die kleinen Plastiksackerln oder nehmen überhaupt zu wenige dieser Beutel, die doch gratis sind und praktisch unendlich vorhanden. Dann mustert die Kassiererin den Kunden schon mit Missfallen über so viel Unverstand und hört auf, beim Einpacken zu helfen.

Denn das Plastiksackerl, klein und dünn, gehört zum griechischen Lebensstil. Mit etwa 400 Sackerln im Jahr pro Person liegt Griechenland in der Oberliga der Plastikfetischisten in Europa, gemeinsam mit Estland, Ungarn oder Tschechien. Ab 1. Jänner aber müssen auch die Griechen für ihr Minisackerl im Supermarkt zahlen. Drei Cent ohne Mehrwertsteuer, vier Cent mit der Steuer und ab 2019 doppelt so viel. "Es wird die Mentalitäten ändern", sagt Alexia Macheras voraus, Direktorin für Kommunikation und nachhaltige Entwicklung bei AB Vassilopoulos, der größten Supermarktkette des Landes.

Ein Prozent recycelt

Ein Wocheneinkauf im griechischen Supermarkt steckt üblicherweise in 20 bis 30 Sackerln. Die werden dann zu Hause noch einmal als Müllbeutel verwendet oder bleiben gleich irgendwo in einem Gebüsch am Straßenrand hängen. So fangen die Probleme an. Denn nur ein Prozent der Plastiksackerln und 16 Prozent des gesamten Mülls werden recycelt. Der große Rest kommt auf Deponien oder landet sonst wo in der freien Natur. 2016 verurteilte der Europäische Gerichtshof Griechenland zu zehn Millionen Euro Strafe wegen illegaler Deponien und zu weiteren 30.000 Euro am Tag bis zur Erfüllung der EU-Vorgaben bei den Müllhalden.

Dass die neue Umweltabgabe nun reicht, um den Verbrauch von Plastiksackerln drastisch zu reduzieren, glaubt auch die Vassilopoulos-Managerin Macheras nicht. Sie weist auf die Ausnahmen hin, die ab 1. Jänner gelten. Auf den Wochenmärkten in Griechenland zum Beispiel wird auch künftig Obst, Gemüse und Fisch gratis in viele Plastikbeutel verpackt. 90 Sackerln pro Person ab 2019 und 40 vom Jahr 2025 an müssen genügen, so stellt es sich jedoch die EU-Kommission vor.

Für die Griechen wäre das ein harter Entzug. Gleichwohl finden 92 Prozent im Land, es sollten weniger Plastiksackerln benutzt werden, so meldete das griechische Forschungsinstitut für den Einzelhandel IELKA; immerhin 64 Prozent der Befragten gaben an, die dünnen Sackerln gehörten ganz verbannt. Die Einnahmen aus der Umweltabgabe will die Regierung für die weitere Werbung zum Verzicht auf Plastik verwenden.

"Wir tun ökofreundlich"

Die Meeresbiologin Anastasia Miliou nennt es einen Witz. "Sie haben zwei Jahre gebraucht, um eine Abgabe von drei Cent zu erheben", sagt Miliou über die griechische Regierung. "Wir haben unser Leben mit Plastik gefüllt, und jetzt tun wir so, als ob wir ökofreundlich wären." Seit Jahren untersuchen Miliou und ihre Kollegen vom Forschungsinstitut Archipelago auf der Insel Samos die Umweltschäden in der Ägäis. Plastikpartikel sind die gefährlichste und größte Belastung für das Meerwasser, so sagt die Forschungs direktorin. Selbst in Gewässern vor unbewohnten Inseln könne man mittlerweile Plastikpartikel-Verschmutzungen messen, die so hoch wie an der Küstenlinie vor Athen sind.

Denn Plastik zersetzt und verteilt sich je nach Machart sehr viel schneller als früher einmal angenommen. Für ein dünnes Sackerl aus dem Supermarkt reichen im Sommer bei starker UV-Strahlung zwei Monate. "Wenn das Plastik zerfällt, verliert man die Kontrolle. Dann geht es überallhin", erklärt Miliou. Zum Beispiel in die Mägen von Fischen.

Vom Verzehr von Fischen wollen die Forscher von Archipelago deshalb aber nicht abraten. Die Innereien würden ja herausgenommen, sagen sie. Für Meerestiere ist die Wasserverschmutzung mit Plastik jedoch lebensbedrohend. Jüngst fischten die Forscher eine tote Schildkröte aus der See zwischen Samos und der kleinen Insel Agathonisi vor der türkischen Küste. Im Magen des jungen Tieres fanden sie nicht weniger als 50 Plastikteile, darunter den roten Aufreißstreifen für Kekspackungen und ein Stück von einem Plastikspielzeug. (Markus Bernath aus Athen, 30.12.2017)