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In den Medien herrschten die Bilder offizieller Feuerwerke – wie hier in Paris – vor, brennende Autos wurden dagegen kaum gezeigt.

Foto: Philippe Wojazer / Reuters

Paris – Wie viele Autos in Frankreich zum Jahreswechsel in Flammen aufgingen, ist unsicher. Sicher ist: Es waren viele. Die Polizei kommuniziert sehr zurückhaltend. Im Großraum Paris gaben Sprecher inoffiziell 250 Brandlegungen an Fahrzeugen und wenigen Motorrädern bekannt. Da das Feuer oft auf daneben parkende Autos übergreift, dürfte die Zahl höher liegen. Auch ist nur das Gebiet der Nationalen Polizei betroffen; ihre militärische Schwesterorganisation, die Gendarmerie, hielt sich am Montag bedeckt.

"Tradition" aus Straßburg

Der etwas spezielle Neujahrsbrauch hatte seinen Ursprung vor rund zwanzig Jahren in Straßburg. Dort kam es vereinzelt zu Zusammenstößen mit der Polizei, die Tränengas einsetzte und Verhaftungen vornahm. Auch in südfranzösischen Städten zündelten Jugendliche. In Toulouse brannten etwa 40 Fahrzeuge aus, wie Medien vor Ort berichteten. Große TV-Sender brachten kaum Bilder vom rituellen Autoabfackeln; lieber berichteten sie von der Massenparty auf den Champs-Élysées und der Neujahrsansprache von Präsident Emmanuel Macron. Immerhin verschweigt die Regierung das Autobrennen nicht mehr so direkt wie einst Präsident Nicolas Sarkozy: Er hatte ab 2010 keine Statistiken mehr publizieren lassen, um Nachahmer abzuhalten.

Seither soll die Gesamtzahl angezündeter Fahrzeuge wieder unter tausend gesunken sein. Vielleicht auch, weil die Polizei in den Wochen vor Silvester ausrangierte oder fahruntaugliche Autos abtransportieren lässt. Denn sie brennen besonders oft ab, sei es, weil Jugendliche nicht Hand an den Neuwagen des Nachbarn legen wollen oder weil schon Autobesitzer ertappt wurden, wie sie den eigenen Altwagen zu Silvester anzündeten, um die Versicherungsprämie zu kassieren.

Dies relativiert die Annahme, das Zündeln sei politisch motiviert. 2008 hatte das Phänomen zwar nach Unruhen im Gazastreifen zugenommen, Sozialhelfer sehen aber nur insofern einen Nachahmereffekt, als Vorstadtjugendliche ihr eigenes "Feuerwerk der Armen" veranstalten wollten.

Wackere Mütter auf Patrouille

In Aulnay-sous-Bois, einer Vorstadt im Norden von Paris, trat an Silvester erstmals ein Kollektiv von Banlieue-Müttern in Aktion, um das allgemeine Autoabbrennen zu verhindern. Zwanzig wackere Afrikanerinnen patrouillierten durch die dunklen Straßen von Aulnay, "um die Zwölf- und Dreizehnjährigen nach Mitternacht von der Straße zu holen und ihnen ein wenig das Was und Warum zu erklären", wie die Komiteechefin Mariame Gassama sagte. In Aulnay sollen heuer tatsächlich deutlich weniger Autos gebrannt haben. (Stefan Brändle, 1.1.2018)