Bild nicht mehr verfügbar.

Ahed Tamimi (Mitte) vor einer Einvernahme.

Foto: Reuters / Ammar Awad

Früher wollte sie Anwältin werden oder Fußballerin – doch was nun aus der in U-Haft sitzenden 16-jährigen Palästinenserin wird, ist äußerst ungewiss. Geht es nach dem israelischen Bildungsminister Naftali Bennett, dann soll aus ihr gar nichts mehr werden. Er will Ahed Tamimi am liebsten lebenslang eingesperrt sehen – vor allem wegen des Videos von einem Streit mit israelischen Soldaten, das ihr viel Aufmerksamkeit bringt.

Diese Bilder aus dem Ort Nabi Saleh im Westjordanland sind es aber auch, die palästinensische Gruppen hoffen lassen, aus ihr ein Widerstandssymbol zu machen – besonders jetzt, da ein israelisches Militärgericht Anklage erhoben hat.

Eines ist aus Ahed Tamimi in jedem Fall schon geworden: ein Beispiel dafür, wie die Parteien im Nahostkonflikt in identen Bildern unterschiedliche Dinge sehen. Israels Medien widmen sich meist dem, was im Video direkt zu sehen ist: zwei Soldaten, die von Tamimi angegriffen werden. Sie bleiben ruhig – auch als sich Aheds Mutter und ihre Cousine einmischen. Das Geschehen wird von Beteiligten mit Handys aufgezeichnet – offenbar in der Absicht, Videos zu produzieren. Israels Politiker sehen daher die Instrumentalisierung von Kindern.

Cousin mit Gummikugeln beschossen

Palästinenser und viele Medien im Ausland stürzen sich dagegen auf die Vorgeschichte: Sie betonen, Tamimis Wut sei dadurch ausgelöst worden, dass Sicherheitskräfte einen Cousin bei Demos mit Gummikugeln beschossen hatten, weshalb er im Koma lag. Auch seien Soldaten in das Haus der Familie eingedrungen.

Zudem schildern sie den Grund für die wöchentlichen Proteste in Nabi Saleh: Sie hatten sich 2009 durch die Umleitung einer Quelle der Tamimis in die Siedlung Halamish entzündet. Immer wieder taucht bei den Protesten die Tochter Ahed auf Fotos auf – so wie auch andere Kinder. 2015 biss sie einen Soldaten, der ihren Bruder festnehmen wollte. Schon 2012 wurde sie vom türkischen Premier Tayyip Erdogan geehrt, weil sie Soldaten die Faust gezeigt hatte.

Strafmaß: Bis zu zehn Jahre

Dass NGOs Tamimi nun als Beispiel für gewaltlosen Widerstand nennen, wird durch die Anklageschrift konterkariert. Sie zitiert die junge Frau mit dem Aufruf an alle, "ihren Teil beizutragen" – etwa "mit Messerangriffen, Selbstmordanschlägen oder Steinen".

Dass die Aussage bekannt wird, ist auch im Sinn der Behörden, die mit einem Strafmaß von bis zu zehn Jahren Haft drohen. Ihnen war zuvor vorgeworfen worden, Tamimi nicht wegen der Taten inhaftiert zu haben, sondern wegen ihres PR-Erfolgs. (Manuel Escher, 2.1.2018)