Als US-Präsident Donald Trump vor rund einem Monat bekanntgab, Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen zu wollen, fanden in ganz Europa Protestkundgebungen statt.

Auch in Wien versammelten sich am 8. Dezember mehrere Demonstranten unter dem Motto "Jerusalem – Hauptstadt Palästinas" vor der US-Botschaft in Wien-Alsergrund. Dabei kam es zu mehreren antisemitischen Ausfällen – der STANDARD berichtete.

Folgen für Gegendemonstranten

Vorfälle rund um diese Kundgebung ziehen jetzt juristische Folgen nach sich: Demonstrationsbeobachter müssen sich nun mit einer Strafverfügung der Landespolizeidirektion Wien auseinandersetzen. Ihnen wird vorgeworfen, in "besonders rücksichtsloser Weise die öffentliche Ordnung gestört zu haben".

Der Hintergrund: Sie hätten in "besonders provokanter Art und Weise" die israelische Fahne "gespannt", was Unmut unter den "palästinischen Protestanten" (sic!) hervorgerufen habe. Die Strafandrohung: hundert Euro Geldstrafe oder zwei Tage Gefängnis.

Strafverfügung wegen "Störung der öffentlichen Ordnung".
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Vorwurf der Provokation

Einer der Betroffenen (der Name ist der Redaktion bekannt) berichtet davon, dass im Zuge der Kundgebung Fahnen mehrerer Staaten hochgehalten worden seien, unter anderem auch türkische, syrische oder palästinensische Flaggen.

Kritiker der Kundgebung hielten ein paar Meter von der Demonstration entfernt eine Israel-Fahne hoch.
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Als mehrere Kundgebungsteilnehmer mit Rufen wie "Nieder mit Israel" auf sich aufmerksam gemacht hätten, hätten er und ein Bekannter ein paar Meter abseits der Demonstration eine Israel-Fahne entrollt.

"Nach meinem persönlichen Demokratieverständnis muss es in Österreich möglich sein, die Fahne eines souveränen Staates hochzuhalten", sagt der Religionspädagogikstudent im STANDARD-Gespräch. "Ich verstehe nicht, warum das eine Provokation darstellen soll." Ihm sei nahegelegt worden, sich eine Rechtshilfe zu suchen: "Das habe ich auch vor", sagt der 25-Jährige.

Die Jüdische HochschülerInnenschaft (JÖH) fordert Konsequenzen bei der Wiener Polizei: "Es ist inakzeptabel, dass das schlichte Zeigen der Israel-Flagge auf den Straßen Wiens von der Polizei als strafbare Provokation kriminalisiert wird."

Die Jüdische HochschülerInnenschaft fordert Konsequenzen, die Wiener Polizei weist auf die Verfügbarkeit von Rechtsmitteln hin.

Im Zusammenhang mit den betreffenden Anzeigen könne die Landespolizeidirektion Wien nur auf die Möglichkeit der Rechtsmittelergreifung verweisen, sagt Sprecherin Daniela Tunst gegenüber dem STANDARD.

Tunst weist außerdem darauf hin, dass es im Zuge der Kundgebung auch zu einer Anzeige aufgrund des Mitführens einer Waffe im Rahmen einer Versammlung kam. "Überdies wurden Parolen unbekannter Täter wegen des Verdachts der Verhetzung und gefährlichen Drohung zur Anzeige gebracht", sagt Tunst.

Grüne Wien: Strafverfügung "verstörend"

Als "offenkundig rechtswidrig" bezeichnet die Sicherheitssprecherin der Grünen Wien, Birgit Hebein, die ausgestellte Strafverfügung. Auch bei einer unangemeldeten Protestaktion sei die Versammlungsfreiheit zu schützen, sagt Hebein. "Dabei sind auch provokante und unangenehme Unmutsäußerungen zulässig."

Dass durch die Strafanzeige der Eindruck entstanden sei, hier werde Solidarität mit Israel kriminalisiert, sei besonders verstörend: "Gerade in Österreich sollte man sich einen sorgsamen Umgang damit erwarten können, welche Signale die Behörde diesbezüglich aussendet", sagt Hebein. (Vanessa Gaigg, 9.1.2018)