Wien – "Die Faust" heißt der neue Fall, der Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) vor Rätsel stellt. Die beiden Kommissare sind mit Ritualmorden konfrontiert, die politisch Brisantes kaschieren könnten. Am Sonntag um 20.15 Uhr in ORF 2 und der ARD. Regie führte Christopher Schier, das Drehbuch schrieb Mischa Zickler.

Foto: Foto: ORF/Hubert Mican

STANDARD: Sie sind bereits seit 1999 "Tatort"-Kommissar und haben in mehr als 40 Fällen ermittelt. Macht es noch Spaß, oder reicht es Ihnen bald?

Krassnitzer: Es macht nach wie vor Spaß, sonst würde ich es ja nicht machen.

STANDARD: Haben Sie eine Grenze definiert, wann Sie aufhören möchten?

Krassnitzer: Nein, ehrlich gesagt verstehe ich die Frage nicht ganz, denn: Wenn einem das Spaß macht, dann denkst du nicht ans Aufhören. Das machst du nur, wenn du mit etwas nicht zufrieden bist, es nicht gut läuft oder es gegen deine Natur geht.

STANDARD: Sie drehen im Schnitt in etwa drei ORF-"Tatorte" im Jahr. Sollte die Frequenz erhöht werden?

Krassnitzer: Alternierend sind es zwischen zwei und drei pro Jahr und nicht mehr. Ich finde, dass es genau die richtige Anzahl an "Tatorten" ist, um es nicht inflationieren zu lassen, dabei aber trotzdem zu versuchen, innovativ und spannend zu bleiben und sich immer wieder neue Geschichten auszudenken.

STANDARD: In Deutschland gibt es mehr als 20 Ermittlerteams, während in Österreich nur Sie und Adele Neuhauser als Duo am Werk sind. Könnte das Land noch ein zweites Team vertragen?

Krassnitzer: Ich finde es ausreichend. Wir sind ein kleines Land und haben auch schon viele Krimigeschichten abgedeckt, wenn wir etwa an die "Landkrimis", die diversen "Sokos" oder "Schnell ermittelt" denken.

STANDARD: Wie finden Sie den neuen "Tatort", der ja recht düster daherkommt?

Krassnitzer: Ich fände es etwas merkwürdig, den eigenen "Tatort" zu beurteilen. Was ich sagen kann: Mir gefällt er. Uns ist etwas gelungen, das die Form eines Thrillers angenommen hat. Mit einer sehr hohen Spannungsdichte. Christopher Schier (Regisseur, Anm.) hat das hervorragend gemacht und tolle Akzente gesetzt hat. Es hat großen Spaß gemacht, ich finde die Story spannend, den Nebenstrang lustig, und insofern war das eine Arbeit, die schwer in Ordnung war.

STANDARD: Die Folge hat eine starke politische Dimension. Ist Ihnen so ein Stoff lieber, als etwa bei einer reinen Familientragödie zu ermitteln?

Krassnitzer: Sagen wir einmal so: Bei einer reinen Familiengeschichte besteht die Gefahr, dass es sich schnell reduziert und Zuseher rasch draufkommen, um was es geht. Hier können es quasi nur der Onkel, der Opa, der Nachbar oder die Tante gewesen sein, die schnell vorbeigeschaut hat und was zu erledigen hatte. Bei einer politischen Geschichte tauchst du in ein anderes Biotop ein, das finde ich dann schon umfangreicher, und es bietet mehr und andere Erzählmöglichkeiten.

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STANDARD: Abgesehen vom eigenen: Welchen "Tatort" sehen Sie am liebsten?

Krassnitzer: Meist passiert es, dass ich am Sonntag etwas unternehme oder es gerade ein Reisetag ist, dann sehe ich es mir in der TVthek an. Es gibt keine, die ich wirklich präferiere, und ich versuche, möglichst alle zu sehen, um zu schauen, wo die Bewegung hingeht. Meine Favoriten sind aber die Münchner, die Münsteraner, die Nürnberger, und das neue Team in Dresden mit Martin Brambach gefällt mir auch gut. Es gibt verschiedene Aspekte, die mich anziehen oder auch nicht.

STANDARD: Etwa Klamauk, der ja die Münsteraner auszeichnet?

Krassnitzer: Nein, ich kann das nicht ausblenden und bin da viel zu tief in der Materie drinnen. Ich mache das nicht, um mir einen netten Film anzusehen, sondern ich schaue, welche Story sie wie erzählen. Da kann ich den beruflichen Blick nicht davon trennen.

STANDARD: Gibt es regelmäßigen Austausch zwischen den "Tatort"-Kolleginnen und Kollegen?

Krassnitzer: Nein, es gibt noch keinen "Tatort"-Kegelclub, wo man sich am Wochenende treffen könnte. Es gibt auch keine Gartengruppe oder Fahrradtruppe, sondern ab und zu mal von der ARD initiierte Treffen zu Jubiläumsanlässen. Sonst triffst du die Kollegen halt beim einen oder anderen Fernsehpreis oder bei sonstigen Events, aber ansonsten findet kein großer Austausch statt.

STANDARD: Der "Tatort" polarisiert sehr. Verfolgen Sie etwa auf Twitter oder in Foren mit, wie Folgen kommentiert werden?

Krassnitzer: Nein, wenn ich den "Tatort" sehe, habe ich nicht die Zeit, nebenbei noch etwas anderes zu machen. Ich bin nicht in dieser Multitaskingform fähig, gleichzeitig etwas zu schauen, es auf mich wirken zu lassen und es auch noch zu kommentieren.

Ein seltenes Bild im Austro-"Tatort": Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) lacht.
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STANDARD: Würde man den "Tatort" in die Realität verlagern, wäre Innenminister Herbert Kickl Ihr Chef. Was hielten Sie von ihm als Vorgesetzten?

Krassnitzer: Das ist schwer zu sagen, weil ich nicht weiß, was Herbert Kickl vorhat. Entscheidend ist, was er macht und wie er seine Arbeit erledigt. Das würde ich als Beamter erwarten, und dann würde man schauen, was passiert.

STANDARD: Sie würden nicht von Haus aus kündigen?

Krassnitzer: Nein, ich finde, das sind kindische Reaktionen. Für mich hat das was Pubertäres. Man sieht sich an, was macht er, was kann er, was will er, und dann beurteilt man das.

STANDARD: Aus der Sicht des Ermittlers: Alle Geheimdienste befinden sich in den Händen der FPÖ. Ein Grund zur Sorge?

Krassnitzer: Solange kein Missbrauch stattfindet, ist es kein Grund. Ich plädiere dafür, eine gelassene Aufmerksamkeit an den Tag zu legen und zu schauen, ob hier ein Missbrauch stattfindet oder nicht. Ich finde es eine völlig falsche Taktik, vorweg in irgendwelche Katastrophenhörner zu blasen. Ich möchte mich lieber darauf verlassen, genau hinzuschauen – und sich dann zu Wort zu melden, wenn man den Eindruck hat, dass hier etwas passiert, das nicht den Gesetzen und der Verfassung des Landes entspricht. Vorweg etwas in den Raum zu stellen, das ist nichts anderes als Contentbedienung für diverse Medien.

STANDARD: Sie sind ja ein politischer Mensch, der sich auch exponiert und für Flüchtlinge eintritt. Im Regierungsprogramm wird klar, dass sich Schwarz-Blau in Richtung Verschärfung orientiert. Was halten Sie davon?

Krassnitzer: Ich habe mir das Regierungsprogramm durchgelesen und finde, dass da noch gar nichts klar ist. Ich weiß nicht, wo Sie da eine Klarheit sehen, ich sehe einstweilen nur die Absicht. Die Gesetze wird man sich dann anschauen. Ich glaube nur, dass sich von den Ideen, die bis jetzt herumschwirren, noch kein großer Vorteil für in Österreich befindliche Asylwerbende erkennen lässt – von Rescue-Zentren ist da etwa die Rede. Und ich wüsste nicht, was daran ihre Situation verbessert und was es für das Land verbessert, außer dass man Menschen einmal a priori scheiße behandelt. Ich bin gespannt, was da rauskommt.

STANDARD: Den Flüchtlingen das Bargeld abzunehmen, eventuell auch das Handy, sie in größeren Aufnahmelagern oder Kasernen unterzubringen – das sind schon rechte konkrete Absichten.

Krassnitzer: Man muss einfach einmal abwarten. Erstens gibt es ja Gesetze und eine Menschenrechtskonvention. Der zweite Punkt: Zwischen dem, was in Österreich angekündigt wird, und dem, was dann gemacht wird, liegen Welten. Anhand von Fakten kann man dann reagieren, ansonsten haben Sie das, was in Österreich immer passiert: einen Haufen Unkenruferei, unglaublich viel Gequatsche, aber keine bessere Lösung. Mich interessiert, was im Geiste dessen passiert, dass man das Land verbessern will. Und da sehe ich derzeit noch keinen Horizont, sondern nur Absichtserklärungen und Meinungen. (Oliver Mark, 12.1.2018)