Innsbruck – In der Fahrbahn sind Drahtschleifen – sogenannte Induktionsschleifen – verlegt, die ein schwaches Magnetfeld erzeugen. Bewegt sich ein Auto darüber hinweg, wird dieses Magnetfeld verändert und das Fahrzeug kann automatisch registriert werden. – So sieht eine Methode der Verkehrszählung aus, die in Europa sehr verbreitet ist. Etwas anders läuft es in der Stadt Kufstein in Tirol. Dort bringt ein junges Gründerteam aus Wirtschaftsinformatikstudenten der Fachhochschule Kufstein eine neue Technologie auf den Weg, die die Verkehrszählung mithilfe von maschinellem Lernen vereinfachen soll.

Michael Bredehorn und Georg Westner von Swarm Analytics konnten sich mit ihrer Idee vergangenen November beim Gründer-Casting der "120-Sekunden-Chance" im Rahmen des EU-Projekts Startup.Euregio durchsetzen. An dem Programm, das sich um die Schaffung guter Bedingungen für junge Unternehmen in der Region Tirol, Südtirol und Trentino kümmert, arbeitet die Standortagentur Tirol mit italienischen Partnern zusammen.

Autonome Auswertung

"Im Rahmen des Studiums entstand bei uns die Neugierde, tiefer in die Bereiche Machine Learning und Artificial Intelligence einzutauchen und mehr daraus zu machen", beschreibt Bredehorn die Motivation der Gründer. Das Ziel: ein offenes System zu gestalten, das Sensordaten aufnimmt, auswertet und für Kunden in zugänglicher Form präsentiert. Als ersten Anwendungsfall erproben die Gründer ihr System im Rahmen eines Verkehrsüberwachungsprojekts mit der Stadt Kufstein.

Die Entwickler haben dafür Kameras mit zusätzlicher Computertechnik ausgestattet, die Autos und ihre Geschwindigkeit erkennt. "Wir gehen vom klassischen Ansatz der Bildanalyse weg", erklärt Bredehorn. Die Bilddaten werden lokal nach den von der Software erlernten Strukturen ausgewertet. Das heißt, dass keine voluminösen Bildinformationen an Server geschickt werden, sondern nur eine geringe Anzahl bereits ausgewerteter Daten – was auch im Sinne des Datenschutzgedankens ist.

Smarte Verkehrsleitsysteme

Die Daten, die die Machine-Learning-Modelle generieren, könnten zukünftig für die Parkplatzsteuerung, intelligente Verkehrsleitsysteme zur Stauvermeidung, smarte Ampelschaltungen und andere Anwendungen in der Stadt herangezogen werden. Und natürlich werden sie Teil statistischer Auswertungen. Die Technologie, die Bredehorn und Westner entwickeln, sei aber offen genug, um künftig nicht nur Anwendungen in der Verkehrsanalyse zu bedienen, sondern auch Fahrbahnschäden oder ausgefallene Beleuchtungen erkennen zu können.

Damit die Software Fahrzeuge erkennt, muss sie zuerst trainiert werden. Die neuronalen Netzwerke erlernen anhand von tausenden Beispielbildern, welche Gestalt vorbeifahrende Autos haben können. Bisher wird dieses Training manuell absolviert: Studentische Helfer sitzen vor Monitoren und markieren Autos. Künftig könnte dieses Training – nach einer ersten Finanzierungsrunde – auch stärker automatisiert werden. "Wir haben jetzt eine Genauigkeit von 96 Prozent. Der Vorteil ist, dass die Fahrzeuge, die hier in Mitteleuropa unterwegs sind, nicht allzu unterschiedlich sind", erklärt Bredehorn.

Die gesamte Generierung und Auswertung der Daten soll Kunden als Service angeboten werden. Mit den Anbietern von Verkehrsleitsystemen sind Bredehorn und Westner bereits im Gespräch. Die Unternehmensgründung von Swarm Analytics steht kurz bevor. Die künftigen Unternehmer beweisen mit ihrem Ansatz, der vor allem die Zielgruppe der Klein- und Mittelunternehmen ansprechen soll, dass für den Einsatz von Artificial Intelligence und maschinellem Lernen nicht unbedingt die Ressourcen eines großen IT-Konzerns notwendig sind. (pum, 10.1.2018)