Bild nicht mehr verfügbar.

Im Winter sind an der Küste Haderas Haie zu sehen. Das könnte am warmen Wasser liegen, das aus einem Kraftwerk abgepumpt wird.

Foto: AP/Jack Guez

Im Winter steigt bei Udi Levi das Adrenalin besonders hoch, wenn er vor der Küste Israels auf Tauchgang geht. "Es ist wie ein Rausch, manchmal kannst du nur ein, zwei Meter weit sehen, aber wenn dann ein vier Meter langer Hai vor dir auftaucht, das ist extrem. Und wenn du dich umdrehst, und da sind noch drei, vier andere Haie, ist das überwältigend." Ohne Schutz, also ohne Käfig, taucht Levi, Mitgründer der Tauchschule "Out of the Blu", seit zwei Jahren immer im Winter mit kleinen Gruppen zu den Haien vor der Küstenstadt Hadera.

"Menschen fallen nicht ins Beuteschema. Aber Vorsicht ist geboten, wir dürfen den Tieren nicht hinterherschwimmen, müssen ruhig bleiben, dürfen nur beobachten. Wir können nicht garantieren, dass sie nicht beißen." Immerhin ist es nicht der Weiße Hai, der da zwischen Dezember und April vor Hadera auftaucht, sondern eine kleine Gruppe von rund 40 Schwarz- und Sandbankhaien.

Haie vor der Küste Israels? Im östlichen Mittelmeer? Was ungewöhnlich klingt, gibt Forschern tatsächlich Rätsel auf. "Dass hier Haie auftauchen, scheint so unwahrscheinlich, als treffe man in der Negev-Wüste auf einen Löwen", sagt Meeresbiologe Eyal Bigal, Leiter des Labors für Spitzenräuber der Morris-Kahn-Marineforschungsstation an der Universität Haifa. Derzeit schreibt er seine Doktorarbeit über die Tiere.

Der Hai ist ein Raubtier, das ganz oben in der Hierarchie steht. Davon gibt es im Mittelmeer aber immer weniger, und genau das macht das Erscheinen der Haigruppe so spannend. Warum kommen sie ausgerechnet im Winter? Eine Theorie ist, dass sie vom warmen Wasser angezogen werden, das aus dem anliegenden Kraftwerk ins Meer gepumpt wird. Und wo ziehen die Tiere nach dem Winter wieder hin? Wie viele gibt es dort draußen im östlichen Mittelmeer? So viele offene Fragen, die die Forscher derzeit noch nicht beantworten können. "Was wir wissen ist, dass alle Schwarzhaie, die hier vor Hadera auftauchen, weiblich sind, alle Sandbankhaie männlich", erklärt Bigal.

Gefährdete Art

Während er spricht, packt er seine Sachen für den nächsten Tag zusammen. Dann wird er mit seinem Team zu den Haien fahren, um sie zu untersuchen und mit Sendern zu versehen: Sie werden auch gemessen und Weibchen per Ultraschall auf Trächtigkeit untersucht. Satellitensender helfen den Forschern herauszufinden, wohin die Tiere im Frühling schwimmen.

Doch die Forscher und die Taucher sind nicht die Einzigen, die es zu den Raubtieren zieht: Mittlerweile hat sich in Israel rumgesprochen, dass hier im Winter Haie auftauchen. Auch Besucher kommen, manche Picknicker meinen, die Tiere füttern zu müssen.

Den Aufenthalt der Haie sieht der Meeresbiologe auch als Chance für Artenschutz. "Langfristig könnte die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit helfen, ihre Art zu erhalten", so Bigal. Denn der Sandbankhai ist gefährdet und über den Schwarzhai ist zu wenig bekannt, um Auskunft über seinen Erhaltungszustand zu geben.

"Damit politische Ziele formuliert werden können, müssen wir Probleme erkennen. Doch über Arten, die viel umherziehen, wissen wir wenig, weil es sehr schwierig ist, ihnen zu folgen und sie zu untersuchen", sagt Bigal. Er will das nun ändern. Für ihn ist die Arbeit mit den Tieren auch emotional: "Es ist, als treffe man einen Dinosaurier. Diese Tierart stand schon am Anfang der Evolution. Und sie kommen ausgerechnet nach Israel. Das ist eine Ehre." (Lissy Kaufmann aus Tel Aviv, 11.1.2018)