Es ist eine Meisterleistung an politischer Präzisionsarbeit, die die Regierung, insbesondere die ÖVP, mit dem neuen Familienbonus hingelegt hat. Selten in Österreichs jüngerer Vergangenheit war eine Maßnahme, von der dem Anschein nach alle Familien profitieren sollen, so gut auf die eigene Klientel zugeschnitten. Um zu verstehen, warum, ist ein genauerer Blick auf die Gewinner des neuen Systems notwendig. Den Familienbonus als Geschenk an Reiche abzutun ist falsch. Er entlastet vor allem Familien, die zur Mittelschicht gehören.

Je mehr Kinder es gibt, desto stärker wird die gutsituierte Mitte profitieren, wo das Einkommen und damit die Steuerlast hoch genug sind, um den Bonus voll ausschöpfen zu können. Wobei die tendenziell größten Gewinner nicht in den Städten, sondern in den ländlichen Regionen zu finden sein werden.

In Österreich ist die Betreuung von Kindern durch institutionelle Einrichtungen wie Krippen, Kindergärten, Horte und Schulen am Nachmittag nach wie vor in Städten, besonders in Wien, verbreiteter als auf dem Land. Dort übernimmt solche Pflichten öfter die (erweiterte) Familie, wie Zahlen der Statistik Austria zeigen. Die Einrichtungen sind nie ganz kostenlos. Und das bisherige System, bei dem Kinderbetreuungskosten von der Steuer absetzbar waren, wird eben im Gegenzug für den Bonus gekippt, weshalb der Zugewinn für "städtische" Steuerzahler kleiner ausfallen wird.

Wem kommt der Bonus zugute

Wähler aus der Mittelschicht, der ländliche Raum: Diese Zutaten waren der Hauptgarant für den Wahlerfolg von ÖVP und FPÖ. In Wien, aber auch in Städten wie Linz, Graz und Innsbruck sind die beiden Parteien zusammen bei der Nationalratswahl nicht über die 50-Prozent-Marke gekommen.

Dass Parteien, so wie im Wahlkampf versprochen, tendenziell ihre eigene Wählerbasis bedienen, daran ist nichts verwerflich. Doch die Frage muss erlaubt sein, ob der Bonus genau jenen Menschen zugutekommen wird, bei denen es sozialpolitisch am meisten Sinn macht: jenen mit schlechter Ausbildung, prekären Jobs und ergo niedrigem Einkommen. Hier lautet die Antwort: nein.

Die wachsende soziale Kluft ist nicht nur in Österreich, sondern europaweit zu Recht eines der derzeit meistdiskutierten Phänomene. Auf der einen Seite stehen gut ausgebildete Menschen, die von der technologischen Umwälzung und der Globalisierung profitieren. Im Zuge der Wirtschaftskrise hatte diese Gruppe auch in Österreich mit langsamer steigenden Löhnen und unsicheren Jobverhältnissen zu kämpfen. Doch im Wesentlichen sind die Zukunftsaussichten intakt.

Druck der Transformation

Auf der anderen Seite stehen viele schlecht ausgebildete Niedrigverdiener, ob Verkäuferinnen im Handel oder Aushilfskräfte in der Industrie, oft mit migrantischem Hintergrund, die viel arbeiten und im Verhältnis wenig Geld mit nach Hause nehmen.

Sie spüren den Druck der Transformation stärker, kämpfen öfter mit Arbeitslosigkeit. Der Nachwuchs dieser Gruppe bildet einen Großteil jener 500.000 Kinder, die laut Finanzministerium nichts vom Bonus haben, weil ihre Eltern nicht genug verdienen. Damit hat das neue Modell eine sozialpolitisch problematische Schlagseite. Ob sich daran viel ändert, nachdem ÖVP und FPÖ angekündigt haben, zumindest Alleinerzieherinnen entgegenzukommen und den Alleinerzieherabsetzbetrag zu erhöhen, ist ungewiss. Ausgerechnet in diesem Punkt ist die Regierung Details schuldig geblieben. (András Szigetvari, 10.1.2018)