Jarrod Dickenson flüchtete einst vor dem Country in den Blues, heute hat er beides ins Herz geschlossen. Das hört man.

Decca / Universal

Wien – Mit Cowboyhut fällt man in England natürlich auf. Doch es war nicht seine Dachrinne, mit der Jarrod Dickenson sein Publikum bannte, es war seine Musik. Beim Glastonbury Festival im Südwesten Englands überzeugte er vor zwei Jahren dermaßen, dass ein paar Wochen später sein Telefon läutete. Er möge doch sein nächstes Album für das Label Decca aufnehmen.

Jarrod schluckte kurz, dachte an diese Rolling Stones, die damals, im Mittelalter, ebenfalls auf Decca ihre Welteroberung begonnen hatten und sagte zu. Anstatt sein zweites Album wieder im Eigenverlag zu veröffentlichen, erschien das "Ready The Horses" betitelte Werk im Vorjahr also beim Traditionsverlag Decca.

Halt beim Soul

Jarrod Dickenson spielt Countrymusik, die in Momenten emotionaler Schwäche bei der breiteren Instrumentierung des Soul Halt sucht und findet. Das gebiert zugleich ihre stärksten Momente, dort erblüht Dickenson Talent vollends.

Der Mann aus Texas sieht aus, wie aus der Zeit gefallen: Monarchistenbart, gestärkter Hut und eine gewisse Ernsthaftigkeit zeichnen eine Figur, die aus einer Westernserie wie "Deadwood" oder "Godless" entnommen sein könnte. Doch seine Waffen sind die Gitarre und der Gesang.

Offene Tür zum Herzen

In seiner Jugend hörte er am liebsten Blues und Soul-Musik. Alles, was Distanz zwischen ihn und die in Texas allgegenwärtige Countrymusik brachte. Als er später nach New York zog, entdeckte er aber die romantischen Qualitäten der Kuhbubenmusik und ließ ihr die Tür zu seinem Herzen einen Spalt weit offen. Genau richtig dosiert schlich sie sich ein und gesellte sich zu seinen anderen Vorlieben.

Nach einer Tour in England nahm er dort "Ready The Horses" auf. Das Album wurde live eingespielt, dafür stand eine alte Bandmaschine bereit, die der Atmosphäre des Albums den Weg bahnt. Warme Orgelstöße rollen im Opener "Faint Of Heart" den Teppich aus, auf dem Dickenson höfliche Stiefelspuren hinterlässt.

Intime Produktion

Die Produktion erinnert an die intimen Settings des Musikers Joe Henry: Das Schlagzeug wischt, jeder in der Band spielt nur das Notwendigste, die Eingemeindung der Stille zwischen den Tönen macht staunen. Eine Ballade wie "Take it From Me" könnte Otis Redding gesungen haben; da platzen Bläser in den Song und verleihen ihm Dynamik und eine eruptive Qualität, ohne die Harmonie des Albums zu riskieren.

JarrodDickensonVEVO

Andere Lieder sind gut zehn Jahre alt. "California" wurde schon einmal aufgenommen, doch erst in der Livedarbietung erspielte er sich über die Jahre den Song auf eine Art, die ihm wirklich gefiel: Gattin Claire singt es mit ihm als herzergreifendes Duett.

Neuer Name in der Neigungsgruppe

In der Neigungsgruppe zählt der Mann zu den großen Entdeckungen. Die Richtung stimmt, mit der Soul-Breitseite seiner Musik erreicht er zudem ein Publikum, das nicht das Pferd sattelt, wenn es verreist und dem Namen wie Lambchop oder die Cowboy Junkies ein Begriff sind.
(Karl Fluch, 12.1.2017)