Es ist so einfach, Herbert Kickl zu sein. Ein kleines Wort, das verstört. Geschickt platziert vor laufenden Kameras. Und dann: zurücklehnen, sich sonnen im Licht der Aufmerksamkeit.

Jahrelang hat der FPÖ-Chefstratege von der Oppositionsbank aus rhetorisch gezündelt. Nun ist er Innenminister. Als Weisungsspitze jener Behörde, die für innere Sicherheit sorgen soll, tut er unbekümmert weiterhin das, was er am besten kann: Unruhe stiften.

Grenzüberschreitungen

Provokateur zu sein ist leicht. Man muss sich nicht überlegen, wie man auf die Provokation reagiert – man hat sie ja verursacht. Alle anderen hingegen geraten in ein schweres Dilemma: Soll man den Provokateur ignorieren – und ihn damit um die gewünschte Aufmerksamkeit bringen? Oder soll man die Provokation anprangern als das, was sie ist – eine inakzeptable Grenzüberschreitung?

Nach Kickls Forderung, man solle Flüchtlinge in Massenunterkünften "konzentrieren", sprachen sich auch viele, die politisch links der Mitte stehen, für die erste Variante aus. Man dürfe, so der Tenor, der FPÖ nicht den Gefallen tun, ihre Provokationen durch Aufmerksamkeit zu würdigen.

Nun ist es richtig, dass solche Aussagen nicht einfach so passieren. Kickl ist Medienprofi, er weiß genau, welche rhetorische Bombe er wie platzieren muss, damit es so richtig laut kracht. Und ja, es krachte. Internationale Medien berichteten, Kommentatoren verurteilten – Mission erfüllt.

Ablenkungsmanöver

Man muss vielleicht auf die vergangenen Wochen zurückblicken, um zu verstehen, warum die FPÖ diese Bombe gerade jetzt so bitter benötigte. Die tiefen Einschnitte, die Türkis-Blau für arbeitslose Menschen vorsieht, drohen am blauen Image der "Partei des kleinen Mannes", die noch dazu die Sozialministerin stellt, zu kratzen. Also heißt es ablenken, hurtig neue Themen setzen. Griffig müssen sie sein, knappe Schlagzeilen müssen sie liefern: Aus für Radarkontrollen. Berittene Polizei in Wien. Wie schön das flirrt in Radio, Video, Social Media.

Doch das leidige Thema Hartz IV will nicht aus den Nachrichten verschwinden. Stärkerer Tobak muss her. Kickl findet ihn dort, wo die FPÖ seit jeher ihr politisches Kleingeld kassiert: auf dem Rücken der Zugewanderten. Dass er sich darüber hinaus eines Vokabulars bedient, das eindeutige Bezüge zur NS-Zeit herstellt, zeigt vor allem eines: dass simples Ausländerbashing offenbar nicht mehr reicht. Flüchtlingen mit Massenlagern zu drohen ist nicht mehr Provokation genug – weil die Adressaten der Provokation, also wir alle, uns längst daran gewöhnt haben.

Brandgefährlicher Gewöhnungseffekt

Dieser Gewöhnungseffekt ist brandgefährlich. Es geht hier eben nicht um Radarfallen und Polizeipferde, sondern um die Würde von Menschen. Gewöhnen wir uns daran, dass Geflüchtete rhetorisch zu Viehherden gemacht werden, lassen wir zu, dass diese Menschen irgendwann nicht nur wie Tiere bezeichnet, sondern auch so behandelt werden. Heute sind es nur Worte. Morgen vielleicht schon Taten.

Und genau hier liegt die Antwort auf die Frage: Ignorieren oder Anprangern? Die Antwort ist: Es gibt keine Wahl. Es bleibt nur eine Option: die Grenze zur Verrohung zu verteidigen, um zu verhindern, dass sie sich verschiebt. Diese Verantwortung trifft alle. In besonderem Maße trifft sie den Regierungspartner. Die FPÖ lotet derzeit aus, wie weit sie gehen darf. Die ÖVP ist gefordert, die Grenze ziehen. (Maria Sterkl, 12.1.2018)