Berufe wie Maurer, Einzelhändler, Köche oder Friseure wären betroffen und hätten nun Lohndruck und Verdrängungswettbewerb zu fürchten, heißt es in der SPÖ.

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Wien – Die SPÖ übt weiter Kritik an der Regierungspolitik und geht mit der FPÖ bei einem Themengebiet in den Clinch, das früher Domäne der Freiheitlichen war. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher warf der FPÖ am Sonntag vor, durch die geplanten Änderungen bei der Mangelberufsliste 150.000 zusätzliche Zuwanderer ins Land zu holen. Die FPÖ wies diese Darstellung zurück.

Entsprechende Schätzungen hatte zuvor die "Kronen Zeitung" unter Berufung auf Experten des Arbeitsmarktservice und der Arbeiterkammer kolportiert. Demnach könnten durch die von der Regierung geplante Ausweitung der Mangelberufsliste, die den Zuzug nichteuropäischer Ausländer in Berufsbranchen erlaubt, in denen es derzeit zu wenige Fachkräfte gibt, bis Ende 2022 bis zu 150.000 Zuwanderer nach Österreich kommen.

"An Chuzpe kaum mehr zu überbieten"

Laut SPÖ-Berechnungen würde es bei einer Regionalisierung der Mangelberufsliste, wie sie von der Regierung angedacht wird, österreichweit 63 Mangelberufe geben. Die meisten davon würden bei diesem Modell in Oberösterreich, Salzburg und Tirol entstehen. Betroffen wären alle Branchen, auf die in einer Region weniger als 1,5 Bewerber pro offener Stelle kommen. Berufe wie Maurer, Einzelhändler, Köche oder Friseure wären betroffen und hätten deshalb Lohndruck und Verdrängungswettbewerb zu fürchten, heißt es in der SPÖ.

"Unser Ziel war immer die Arbeitslosigkeit zu senken. Mit dieser Maßnahme verabschiedet sich Schwarz-Blau von diesem Ziel. Das ist ein unglaublich unsoziale Politik", sagte Lercher. Der SPÖ-Geschäftsführer nimmt vor allem die FPÖ ins Visier und wirf ihr Verrat am sogenannten kleinen Mann vor. "Die FPÖ redet davon, den österreichischen Arbeitsmarkt vor Lohn- und Sozialdumping durch Massenzuwanderung zu schützen, und dann holt sie 150.000 zusätzliche Zuwanderer ins Land. Dass ausgerechnet die FPÖ den Zuzug aus Nicht-EU-Ländern wie der Türkei, der Ukraine oder Russland massiv fördert, ist an Chuzpe kaum mehr zu überbieten."

Lercher erinnerte an frühere Aussagen des nunmehrigen FPÖ-Innenministers Herbert Kickl. Dieser hatte vor Jahren die SPÖ-ÖVP-Regierung wegen einiger hundert nach Österreich geholter Facharbeiter massiv kritisiert.

FPÖ sieht "rote Propaganda-Märchen"

Bei den Blauen wies man die Vorwürfe zurück und sprach von "roten Propaganda-Märchen". Laut FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky wurde die Ausweitung der Mangelberufsliste noch zwischen dem ehemaligen SPÖ-Sozialminister Alois Stöger und dem damaligen ÖVP-Wirtschaftsminister Harald Mahrer paktiert.

"Nach zwölf Jahren rot-schwarzer Arbeitsmarktpolitik ist das Ergebnis – trotz weiterhin viel zu hoher Arbeitslosigkeit – ein massiver Fachkräftemangel in vielen Bereichen", sagt Vilimsky. Die FPÖ werde in der Regierung aber genauestens darauf achten, dass nur dort, wo kurzfristig Fachkräftemangel herrscht, dieser zeitlich begrenzt durch Nicht-EU-Ausländer gedeckt wird.

Die SPÖ-Berechnungen zur Regionalisierung der Mangelberufsliste wies Vilimsky zurück: "Rotes Katastrophengeschrei." Das Thema sei von der Regierung noch gar nicht konkret verhandelt worden. Grundsätzlich sei eine Regionalisierung aber sinnvoll. Die sorge nämlich dafür, dass nicht ein Wiener Betrieb ausländische Arbeitskräfte einstellen dürfe, wenn nur in Vorarlberg in einer bestimmten Branche Mangel bestehe.

Sozialministerium weist Warnungen zurück

Im FPÖ-geführten Sozialministerium weist man die Warnungen und Kritik der SPÖ zurück. Die jüngste Ausweitung der Liste von 11 im Jahr 2017 auf 27 im Jahr 2018 gehe ohnehin noch auf die im Dezember verabschiedete Fachkräfteverordnung des damaligen SPÖ-Sozialministers Alois Stöger zurück. Und eine Neuregelung gebe es noch nicht.

Laut Sozialministerium waren in den 11 Mangelberufen von 2017 Ende November 2017 292 Fachkräfte aus Drittstaaten mit Rot-Weiß-Rot-Karte beschäftigt. Die Mangelberufsliste dient ausschließlich der Zulassung von Fachkräften aus Drittstaaten über die sogenannte Rot-Weiß-Rot-Karte. Fachkräfte aus EU-Mitgliedstaaten haben ohnehin freien Arbeitsmarktzugang. Die Ermittlung der Mangelberufe ist im Ausländerbeschäftigungsgesetz klar vorgegeben. Als Mangelberufe kommen demnach Berufe in Betracht, für die pro gemeldete offene Stelle höchstens 1,5 Arbeitsuchende vorgemerkt sind.

Kein Kochmangel im Osten

Überlegungen, bei der Erstellung der Fachkräfteverordnung auch regionale Aspekte einzubeziehen, sind zuletzt vor allem deshalb aufgetaucht, weil es beispielsweise beim Beruf Gaststättenkoch in den westlichen Bundesländern Salzburg, Tirol und Vorarlberg deutlich mehr offene Stellen mit vergleichsweise wenig arbeitslos vorgemerkten Arbeitskräften gibt, während in den östlichen Bundesländern kein Mangel an Köchen festgestellt werden kann.

Im Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ ist deshalb vorgesehen, künftig auch den regionalen Bedarf an Fachkräften besser zu berücksichtigen, hieß es aus dem Büro von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ). Zugleich soll auch die überregionale Vermittlung von Arbeitskräften generell verbessert und die Lehrausbildung attraktiver gemacht werden.

Neos kritisieren "Anti-Ausländer-Match" von SPÖ und FPÖ

"Im Sinne dieser Zielsetzungen wird das Sozialministerium unter Einbeziehung der Sozialpartner zügig ein Modell erarbeiten, in dem die Zulassung von Fachkräften aus Drittstaaten auch unter Berücksichtigung der regionalen Bedarfslage ermöglicht, zugleich aber auch versucht wird, die Bedeutung der Lehrausbildung insgesamt zu stärken, Jugendliche dabei zu unterstützen, die Ausbildung in den Betrieben zu verbessern und das vorhandene Potenzial von Fachkräften durch Intensivierung der überregionalen Vermittlung besser einzusetzen", hieß es in einer Stellungnahme gegenüber der APA.

Die Neos kritisierten unterdessen das "Anti-Ausländer-Match" von SPÖ und FPÖ und forderten zugleich eine weitere Ausweitung der Mangelberufsliste. "Die Liste der Mangelberufe ist ein bisschen erweitert worden, aber immer noch zu kurz", meinte Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker.

Die Zahl der offenen Stellen auf dem österreichischen Arbeitsmarkt liege um rund 35 Prozent über dem Vorjahr. "Die Betriebe tun sich immer schwerer, die richtigen Arbeitskräfte zu finden. Die lange Dauer der Personalsuche kostet die Wirtschaft viel Geld und Wachstumspotenzial", so Loacker. "So ist etwa der Beruf des Kochs nicht auf der Liste zu finden – obwohl gerade in Westösterreich Köche händeringend gesucht werden." (APA, 14.1.2018)

Update (15.1., 10 Uhr): Max Lercher hat zur Kritik an seiner Aussendung auf Facebook Stellung genommen.