Präsident des Apothekerverbands Jürgen Rehak warnt vor den Folgen einer Liberalisierung österreichischer Apotheken.

Foto: Christian Dusek

Die Drogeriekette DM hat einen dritten Anlauf zum Verkauf rezeptfreier Medikamente in ihren Filialen angekündigt. Die Apotheken halten dagegen, dass nur sie die Kunden wie im Gesetz vorgeschrieben beraten können und dank ihrer Expertise Sicherheit bei der Verwendung von Arzneimitteln gegeben ist. Wirtschaftliche Folgen einer Liberalisierung wären gering, insbesondere würden Preise kaum sinken.

Die Diskussion sei auf die wirtschaftlichen Folgen einer Liberalisierung rezeptfreier Medikamente (OTC/"Over The Counter") fokussiert, dabei seien diese klein, sagte Jürgen Rehak, Präsident des Apothekerverbands, unter Berufung auf eine Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS). Deshalb sei es Zeit, über Folgen einer Liberalisierung für Gesellschaft, Gesundheit der Bevölkerung und Arzneimittelsicherheit zu reden.

Kontrollen vor Fälschungen

Die Apotheken in Österreich sicherten rund um die Uhr und das ganze Jahr hindurch flächendeckend die Versorgung der Österreicher mit Medikamenten. "Daher gibt es keinen Bedarf nach zusätzlichen Outlets", meint Rehak. Erfahrungen anderer Länder mit der Liberalisierung zeigten auch, dass die Freigabe des Verkaufs ausgewählter rezeptfreier Medikamente, um die es auch bei DM geht, weder zu einer breiteren Versorgung noch zu fallenden Preise führe. Nur in Ballungsräumen mit vielen Menschen gebe es dann mehr Verkaufsstellen – dafür weniger am Land.

Streiche man die derzeit in Österreich geltende Regel, wonach eine Apotheke von einem Apotheker geführt werden muss, dann würden in kürzester Zeit Ketten entstehen, die die Preise erst recht diktieren, warnt Rehak. In Norwegen habe es nach der Privatisierung 2005 innerhalb von drei Jahren fast keine privaten Apotheken mehr gegeben. Die Preise für rezeptfreie Medikamente seien hingegen um 20 Prozent gestiegen.

Apotheken würden durch Kontrollen vor Fälschungen schützen. Und da bekannt sei, dass die Österreicher in Hinsicht auf Wissen über ihre Gesundheit im internationalen Vergleich weit zurückliegen, hätten die Apotheken angeboten, mehr für die Gesundheitsbildung der Bevölkerung zu tun. Das sei im Regierungsprogramm unter dem Punkt Medikationsmanagement schon berücksichtigt.

Weiterer Anlauf von DM

DM ist zwei Mal aus formalen Gründen beim Verfassungsgerichtshof mit seinem Wunsch abgeblitzt, rezeptfreie Medikamente verkaufen zu dürfen. Innerhalb der kommenden drei Monate soll ein weiterer Anlauf genommen werden. Obwohl Rehak nur von geringen wirtschaftlichen Auswirkungen einer solchen Freigabe spricht, warnt er: Sollte die Liberalisierung mit dem Verkauf besonders lukrativer rezeptfreier Medikamente kommen, dann könnten die Apotheken den Nachtdienst nicht mehr finanzieren. Dann wäre eine öffentliche Subvention dafür nötig. In Dänemark gebe es das bereits. Die Nachtdienste kosten die heimischen Apotheken etwa 30 Mio. Euro im Jahr.

Preise für Medikamente sind in Österreich derzeit gedeckelt – Apotheken dürfen also nicht mehr verlangen, als gesetzlich vorgesehen. Etwa zwei Drittel ihres Umsatzes (2,7 Mrd. Euro) machen die heimischen Apotheken mit kassenpflichtigen Arzneimitteln, bei denen die Krankenkassen den Preis vorgeben, ein Drittel (1,3 Mrd. Euro) mit anderen Produkten. Von diesen 1,3 Mrd. Euro entfallen 400 bis 450 Mio. Euro auf rezeptfreie Medikamente.

Der Rest reicht von Nahrungsergänzungsmitteln wie Vitaminen über Kosmetika bis zu verschreibungspflichtigen Medikamenten, die billiger sind als der Selbstbehalt und deshalb von den Kunden direkt bezahlt werden. Im "Privatverkauf" wird zwar nur ein kleiner Teil des Umsatzes gemacht, aber der Löwenanteil des Gewinns, sind doch die Margen bei den kassenpflichtigen Produkten sehr gering.

Negative Folgen

Ein noch kleines aber wachsendes Thema ist der Versandhandel mit Medikamenten. In Deutschland entfallen darauf schon 10 bis 14 Prozent des Umsatzes, in Österreich schätzt Rehak den Anteil nur auf drei bis fünf Prozent. Das meiste kommt aus dem Ausland nach Österreich herein, die Produkte seien in der Regel fünf bis zehn Prozent billiger. In Österreich haben bisher 40 Apotheken einen Versand angemeldet. Dabei seien österreichische Versandapotheken strenger geregelt als ausländische, kritisiert Rehak.

Grundsätzlich seien aber nur wenige sehr große Versandapotheken rentabel, mein Rehak und schätzt, dass der österreichische Markt nur ein bis drei tragen würde. Rund 10.000 lieferbare Medikamente gibt es in Österreich derzeit, ein Drittel der Medikamente ist rezeptfrei zu haben. Wenn überhaupt eine Liberalisierung kommt, warnt Rehak vor negativen Folgen für die Volksgesundheit, sollten zu viele Wirkstoffe bzw. zu starke Produkte frei gegeben werden.

So hätten die USA Paracetamol als Schmerzmittel freigegeben, nun sei jedes zweite akute Leberversagen durch Paracetamol ausgelöst. So etwas komme in Österreich praktisch nicht vor. Um die eigene Position zu stärken verspricht Rehak, dass Apotheken flächendeckend intensiver beraten werden. Der Verband arbeite an einer Standardisierung der Beratung, um "qualitativ messbare Größen" zu erreichen. (APA,16.1.2018)