Das Vorgehen der Regierung sei "inkonsequent, verwirrend und aus präventiver Sicht unbegreiflich", sagt die Wiener Kinderärztin Angela Zacharasiewicz.

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Wien – Die Mehrheit der Österreicher will die Zigarette aus der Gastronomie verbannen. Das hat eine repräsentative Umfrage der Ärzteinitiative ergeben, für die 1.000 Personen befragt wurden. 70 Prozent wollen demnach das Nichtraucherschutzgesetz, wie es 2015 noch von Rot-Schwarz beschlossen wurde, einführen. Die neue türkis-blaue Bundesregierung setzt hingegen auf Wahlfreiheit für Wirte und will an Raucherbereichen in Lokalen festhalten.

Eine Berechnung eines Mediziners der Med-Uni-Graz hat ergeben, dass die Nichteinführung des Rauchverbotes 5.000 zusätzliche Herzinfarkte pro Jahr verursache, erklärt Manfred Neuberger von der Ärzteinitiative.
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Manfred Neuberger von der Ärzteinitiative fühlt sich durch das Ergebnis der Umfrage bestätigt. Die Zustimmung zum Rauchverbot würde auch nach dessen Einführung weiter steigen, berichtet Neuberger von Zahlen aus Italien.

FPÖ als Partei der "rücksichtslosen Raucher und Raser"

Enttäuscht zeigt sich der Umweltmediziner von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Dieser sei "wortbrüchig", noch vor weniger als einem Jahr habe er ihm zugesichert, am geplanten Nichtraucherschutz festzuhalten. Für die Freiheitlichen zeigt er noch weniger Verständnis. Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) ignoriere mit dem Vorgehen die Wissenschaft und beweise, dass die FPÖ eine Partei der "rücksichtslosen Raser und Raucher" sei.

70 Prozent der Österreicher lehnen den Plan der ÖVP-FPÖ-Regierung ab, Rauchen in Lokalen weiter zu erlauben.
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Das Argument, ein Rauchverbot in der Gastronomie würde einen Umsatzrückgang für Wirte bedeuten, lässt Neuberger nicht gelten. Um das zu entkräften, holte sich die Ärzteinitiative Unterstützung aus Bayern. Ernst-Günther Krause, Vizepräsident der wegen Erfolges im Vorjahr aufgelösten Nichtraucherinitiative Bayern, analysierte dazu die Umsätze der Gastronomie der vergangenen 20 Jahre. Die Volksabstimmung in Bayern 2010 habe keine Auswirkungen auf die Konsumationen im Wirtshaus gehabt. Eher im Gegenteil: "Die Umsatzrückgänge waren nicht mehr so stark wie in den zwei Jahrzehnten zuvor." Krauses Schlussfolgerung: "Die Leute kommen trotzdem" – auch Raucher, sie würden für eine Zigarette eben ins Freie gehen. Dort könnten sie auch "flirten und Kontakte knüpfen", streicht er die positiven Nebenwirkungen der Nikotinsucht hervor.

Von Fakten, nicht von Meinungen leiten lassen

Angela Zacharasiewicz, Kinder- und Lungenfachärztin am Wiener Wilhelminenspital, kann nicht nachvollziehen, warum die türkis-blaue Regierung Fakten ignoriere und sich von Meinungen leiten lasse. Das Vorgehen der Regierung sei jedenfalls "inkonsequent, verwirrend und aus präventiver Sicht unbegreiflich". Es sei erwiesen, dass durch ein Rauchverbot in der Gastronomie und höhere Tabaksteuern weniger Jugendliche zu rauchen beginnen würden. Zigaretten seien in Österreich sehr leicht verfügbar – die Kinderärztin fordert daher nicht nur ein Verbot von Zigarettenautomaten, sondern auch eine konsequente Kontrolle der neuen Regelungen. Es dürfe nicht mehr normal sein, vor Kindern zu rauchen.

Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres hofft auf ein Einlenken der Regierungsspitze. Die Standesvertretung bereitet ein Volksbegehren vor, zunächst müssten dafür 8.500 Unterstützungserklärungen gesammelt werden. Danach muss das Innenministerium einen Termin festlegen, unterschreiben mehr als 100.000 Bürger das Anliegen, muss es im Parlament behandelt werden. Die Kammer unterstützt außerdem die Petition der Krebshilfe, die derzeit 442.000 Unterzeichner hat und noch bis Ende Februar läuft.

Die neue Regierung will zwar die direkte Demokratie stärken, doch für dieses Volksbegehren dürften die neuen Regelungen noch nicht gelten. Noch bis 2022 soll es dauern, dass nach einem Volksbegehren mit mindestens 900.000 Unterschriften verpflichtend eine Volksabstimmung abgehalten wird. (burg, mte, 16.1.2018)