Wien – Die Arbeiterkammer fordert vor der "Regionalisierung" der Mangelberufsliste eine grundsätzliche Reform dieses Zuwanderungsmodells. Auch die Wirtschaftskammer ist für Gespräche offen, sie sieht denn Ball aber bei der Regierung. Die Warnung der SPÖ vor 150.000 zusätzlichen Zuwanderern durch die Regierungspläne können allerdings weder die AK noch das Arbeitsmarktservice nachvollziehen.

AMS-Chef Johannes Kopf bezeichnete die von der SPÖ genannten 150.000 Zuwanderer am Dienstag in der "ZiB 2" als deutlich zu hoch gegriffen. Auch bei der Arbeiterkammer konnte man die Zahlen nicht nachvollziehen. Immerhin rechnet Kopf allerdings damit, dass bei der von der Regierung geplanten Regionalisierung der "Mangelberufsliste" einige Tausend Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Ländern mehr pro Jahr kommen könnten.

Mehr als derzeit

Das wäre zwar deutlich weniger als von der SPÖ befürchtet, aber mehr als derzeit. Denn laut Zahlen des Sozialministeriums wurden seit der Einführung des Systems 2012 nämlich insgesamt nur 1.719 Zuwanderungskarten ("Rot-Weiß-Rot-Karte") für "Mangel-Arbeitskräfte" aus Nicht-EU-Ländern genehmigt. Zuwanderer aus EU-Staaten brauchen ja keine Genehmigung, um in Österreich arbeiten zu dürfen.

Zuletzt wurde die "Mangelberufsliste" von SP-Sozialminister Alois Stöger erweitert – von elf Berufen 2017 auf 27 Berufe im heurigen Jahr. Darunter sind u.a. Fräser für die Metallindustrie, Schwarzdecker für die Bauwirtschaft und EDV-Absolventen. Entscheidendes Kriterium: Als "Mangelberuf" gelten Jobs, bei denen für eine offene Stelle österreichweit maximal 1,5 qualifizierte Arbeitslose zur Verfügung stehen. Damit gelten Köche und Kellner nicht als "Mangelberufe", weil hier zwar in Westösterreich Arbeitskräfte fehlen, in Ostösterreich aber ausreichend qualifizierte Arbeitslose vorhanden wären.

Engpässe abdecken

Insbesondere die Tourismus-Branche fordert daher eine "Regionalisierung" der Mangelberufsliste, damit auch Engpässe in einzelnen Regionen abgedeckt werden können. Im Regierungsprogramm wird das nun auch angekündigt – allerdings sind die entsprechenden Pläne gerade einmal wenige Zeilen stark: Unter dem Titel "Legale Migration streng an den Bedürfnissen Österreichs orientieren" finden sich der Satz: "Neuausrichtung der Rot-Weiß-Rot-Karte an den Bedürfnissen der heimischen Wirtschaft". Außerdem soll die Liste überarbeitet werden, damit sie die "regionalen Arbeitsmarktgegebenheiten berücksichtigt".

Die SPÖ befürchtet nun, dass es mit einer Regionalisierung des jetzigen Systems 63 statt 27 Mangelberufe geben würde und dass damit pro Jahr 17.000 bis 20.000 zusätzliche Zuwanderer ins Land kommen könnten, dazu noch rund 500 weitere Saisonarbeitskräfte. In fünf Jahren wären das rund 100.000 Personen. Weitere knapp 50.000 Zuwanderer seien durch die ohnehin schon bestehenden Regelungen zu erwarten, denn in den letzten fünf Jahren seien rund 46.000 Personen über die Rot-Weiß-Rot Karte und die weiterführende "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" ins Land gekommen. In den Berechnungen der SPÖ sind auch Familienangehörige, die über die "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" einwandern.

Mangelberufsliste "willkürlich"

Die ÖVP weist diese Zahlen als "Angstmache" zurück und die Wirtschaftskammer betonte, dass die genauen Modalitäten der "Regionalisierung" noch gar nicht geklärt sind. Hier setzt auch die Arbeiterkammer an. AMS-Arbeitsmarktexperte Gernot Mitter plädiert nämlich für eine Totalreform der "Mangelberufsliste". Denn einen "Mangelberuf" allein daran festzumachen, dass auf eine offene Stelle weniger als 1,5 Jobsuchende kommen, sei "willkürlich".

Stattdessen plädiert Mitter für eine Reform nach deutschem Vorbild. Dort werde nämlich auch berücksichtigt, ob die Löhne steigen und ob die Branche ausreichend Lehrstellen anbietet. Erst wenn beides zutrifft und Jobangebote trotzdem monatelang offen bleiben, könne man von einem Fachkräftemangel sprechen. "Dann hätten wir auch kein Problem mit einer regionalen Betrachtung", betont Mitter.

Auch die Wirtschaftskammer kann sich eine Reform grundsätzlich vorstellen. Sozialexperte Martin Gleitsmann betont, dass die Pläne im Regierungsprogramm noch nicht ausgegoren seien. "Dazu kann man sich Kriterien zurechtlegen", betont Gleitsmann. Auch die Orientierung am deutschen Modell sei "eine Möglichkeit". "Das haben wir auch früher schon diskutiert." Ob es Sozialpartnergespräche dazu geben wird, wisse er aber nicht, so der Kammer-Experte: "Das wird an der Regierung liegen." (APA, 17.1.2018)