Um mehr direkte Demokratie, eines der großen Anliegen der FPÖ, ist es in letzter Zeit etwas still geworden. Trotzdem steht die Frage im Raum, ob die Politiker künftig mehr Entscheidungen an die Bürger abschieben sollen oder nicht. Wäre das gut oder schlecht?

Manchmal braucht es eine persönliche Erfahrung, um sich dazu eine Meinung zu bilden. Man steht letzlich vor der Wahl, seinen eigenen Interessen oder jenen der Allgemeinheit den Vorzug zu geben. Und weil die meisten von uns im Herzen Egoisten sind, entscheiden wir meistens zugunsten des eigenen Vorteils. Das Ganze nennt man Populismus.

Zwei Briefe flattern ins Haus. Einer von der ÖVP-geführten Bezirksvertretung Wien Innere Stadt, einer von der grünen Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou. Es geht um Parkplätze im ersten Wiener Gemeindebezirk, ein rares Gut. Sollen auf den Anrainerparkplätzen tagsüber nun auch Handwerksunternehmen und Sozialdienste ihre Fahrzeuge abstellen dürfen? Oder sollen diese, wie bisher, allein den Bezirksbewohnern vorbehalten sein? Bitte Zutreffendes ankreuzen. Die Stadträtin plädiert für Variante eins, die Bezirksvertreter für Variante zwei. Die Wirtschaft will schon lange mehr Parkmöglichkeiten für Handwerker und Dienstleister, die unterwegs zu ihren Kunden sind. Desgleichen die Sozialdienste. Sie alle dienen dem Gemeinwohl.

Als Anrainerin sieht man das ein. Aber die kostbaren Parkplätze mit anderen teilen? Womöglich länger Parkplatz suchen müssen? Vielleicht keinen finden? Vielleicht ganz auf das eigene Auto verzichten und sich mit Öffis und Taxis begnügen müssen? Wäre für Stadtbewohner möglich und zumutbar. Aber solange es geht, will man doch auf den Anrainerparkplatz, für den man schließlich mit seinem Parkpickerl bezahlt hat, nicht verzichten. Im Zweifel fürs Eigene. Man macht also sein Kreuzchen, nicht ganz ohne schlechtes Gewissen, bei der Antwort, es solle alles so bleiben, wie es ist.

Parkplätze – ein Miniproblem, das dennoch das große Problem der Bürgerbeteiligung widerspiegelt. Wer fragt, "Wollen Sie mehr oder weniger Steuern zahlen?", bekommt unweigerlich die Antwort: "Weniger." Wie dann der Sozialstaat finanziert werden soll, interessiert die Befragten in diesem Augenblick nicht. Schulen bauen? Geht mich nichts an, ich habe keine Kinder. Mindestpensionen erhöhen? Ditto, ich habe genug zum Leben. Mehr Sozialwohnungen schaffen? Nicht mein Problem, ich wohne im eigenen Haus. Wer als Individuum und Konsument befragt wird, äußert seine eigenen Interessen. Für den gesellschaftlichen Ausgleich und die Wahrung solidarischer Standards sind demnach in einer repräsentativen Demokratie die gewählten Volksvertreter zuständig.

Sie sind es, die für faire Verteilung, Schutz von Minderheiten, Berücksichtigung des Gemeinwohls sorgen müssen. Und das heißt manchmal auch, unpopuläre Entscheidungen treffen. Es ist einfacher zu sagen "Fragen wir die Bürger". In Sachen Parkplätze in der Wiener Innenstadt kann man das Resultat der Bürgerbefragung jetzt schon voraussagen. Es wird heißen: Wir wollen unsere Parkplätze weiterhin für uns allein haben. Eins zu null gegen die Verkehrsstadträtin. Und eins zu null gegen das Gemeinwohl. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 17.1.2018)